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Wahlkampf ǀ Kumpel Kaeser nennt es „Inclusive Capitalism“ — der Freitag

Wahlkampf ǀ Kumpel Kaeser nennt es „Inclusive Capitalism“ — der Freitag

Wahlkampf ǀ Kumpel Kaeser nennt es „Inclusive Capitalism“ — der Freitag

Annalena Baerbock in einen dunkelgrünen Mantel gehüllt, in ihrer Hand zwei große Steintafeln mit zehn Verboten, die sich die Grünen angeblich wünschen. Unter der Moses-Darstellung steht in Großbuchstaben: „Warum uns grüne Verbote nicht ins gelobte Land führen“. Diese Anzeige erschien am Freitag vor dem Bundesparteitag der Grünen prominent auf den Seiten der FAZ, der SZ und Zeit Online. Geschaltet hatte sie die neoliberale Lobbyorganisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), die wesentlich von der Metall- und Elektroindustrie finanziert wird. Die Anzeige erfüllte ihren Zweck: Auf Twitter war die Hölle los und diverse Zeitungen griffen das Thema auf. Redaktionen fertigten Faktenchecks an.

Dabei müssen sich weite Teile der Wirtschaft vor den Grünen alles andere als fürchten. Das bewies die Partei eindrucksvoll beim Parteitag, auf dem das Wahlprogramm beschlossen wurde. Pragmatisch, konstruktiv, auf Augenhöhe mit den Chefetagen schmetterten Zwei-Drittel der Delegierten einen Antrag ab, der die Anhebung der Hartz-IV-Bezüge um 200 Euro vorsah. Die Abschaffung der Schuldenbremse ist ebenso durchgefallen, wie es mit Grünen keine Vergesellschaftung von Immobilienkonzernen geben soll. Auch ein Antrag, den Spitzensteuersatz auf 53 Prozent zu erhöhen, scheiterte – der Parteitag beschloss eine „moderate“ Anhebung auf 48 Prozent. Durchatmen bei den Reichen. Auch die Autoindustrie hatte Grund zur Freude: Autos mit Verbrennungsmotor erst ab 2030 nicht mehr zugelassen werden dürfen – und nicht schon ab 2025. Und die Rüstungsindustrie freut es zu hören, dass die Grünen den Einsatz von Kampfdrohnen nicht kategorisch ausschließen.

Eine Gastrede hielt Ex-Siemens-Chef Joe Kaeser. Der neue Aufsichtsratsvorsitzende von Siemens Energy, der sich selbst als „Believer in Inclusive Capitalism“ bezeichnet, warb beim Parteitag eindringlich für eine sozial-ökologische Marktwirtschaft – in Abgrenzung zum Sozialismus. Den Grünen redete er ins Gewissen, die große Chance nicht zu vergeben, von der Abteilungsleitung Umwelt in den Vorstand Deutschland aufzusteigen.

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Vorschusslorbeeren aus der Kapitalfraktion

Auch die Privatbanken haben längst keine Angst mehr vor Baerbock und Co.: Der Bundesverband deutscher Banken lobte Anfang Mai im Handelsblatt: Die Grünen hätten vielleicht als erste Partei verstanden, dass der Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaft nur mit der Unterstützung der Banken und der Kapitalmärkte zu schaffen sei.

Ende Mai veröffentlichte die Schweizer UBS-Bank eine Analyse zur anstehenden Bundestagswahl: Selbst mit den Grünen in einer Regierung bestünde für Anleger kein Grund zur Sorge. Es würden sich sogar Chancen ergeben: profitieren könnten nämlich Entwickler erneuerbarer Energieanlagen, Automobilhersteller mit Ausrichtung auf Elektrofahrzeuge, Halbleiterunternehmen, grüne Energieunternehmen. Eine Regierung gemeinsam mit der CDU sei das wahrscheinlichste Szenario, das mit einer Unterstützung des Euro und Abgabe einiger Kompetenzen an Brüssel einhergehen könnte.

Bei so viel Vorschusslorbeeren wichtiger Kapitalfraktionen wundert es nicht, dass die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) die INSM-Kampagne kritisiert hat. „Persönliche Herabsetzungen und eine misslingende Verwendung christlicher Symbolik sind kein angemessener Umgang im notwendigen Wettstreit um politische Inhalte.“ Dies sei nicht der Stil der BDA.

Das INSM scheint die Botschaft noch nicht vernommen zu haben: Die Grünen und an ihrer Spitze Annalena Baerbock könnten das deutsche Kapital doch ins gelobte Land führen, in ein Land, wo ein grün lackierter Kapitalismus eine Zukunft hat.

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