Es ist das TV-Comeback des Jahres. "Wetten, dass..?" kehrt als einmalige Sonderausgabe zurück ins ZDF. Die letzte reguläre Sendung mit Markus Lanz als Moderator lief 2014, Thomas Gottschalk war bereits 2011 ausgestiegen und hatte damit das Ende der großen Samstagabendunterhaltung eingeleitet.
Nun gibt es eine Rückkehr für einen Abend. Gottschalk betritt in einem goldbestickten Paisley-Sakko die Bühne und sofort reist man in Gedanken zurück in eine andere TV-Ära, die noch viel länger her scheint, als es wirklich der Fall ist.
Das Publikum in Nürnberg feiert den Moderator mit Standing Ovations und minutenlangem Beifall. Er setzt sich schonmal auf die Couch. "Macht ruhig ohne mich weiter. Ich freue mich, dass ihr euch so freut. Hört auf, ich habe noch gar nichts geleistet. Hinsetzten." Aber das Publikum fängt an zu singen: "Oh, wie das schön …" Gottschalk ist begeistert:
"Das ist das Frankenland. Meine Karriere begann in Hof und in Nürnberg geht sie zu Ende. Das sind 120 Kilometer, das muss man erstmal hinbekommen."Thomas GottschalkEr sei bei Interviews vorab immer gefragt worden, ob er Angst habe vor einem Shitstorm, erzählt Gottschalk gut gelaunt. "Es ist keine Frage, ob ich einen Shitstorm schaffe, sondern wie lange es dauert. Aber ab einem gewissen Alter sollte einem vieles egal sein und ich habe dieses Alter erreicht. Und machen wir uns nichts vor: Ein Großteil meiner Zuschauer ebenfalls." Trotzdem hat er vor der Show offenbar eine Abnehmkur in Südtirol gemacht. "Bevor die Leute auf meinen Bauch gucken, sollen sie lieber Helene Fischer gucken." Die schwangere Sängerin ist nämlich auch zu Gast.
Die Halle in Nürnberg ist so voll besetzt, wie man es seit Corona nicht mehr sieht, die Promis fallen sich zur Begrüßung auch mal in die Arme. Zuschauer, die "mit Maske vorm Fernseher" sitzen, würden sich fragen, warum alle so eng sind bei "Wetten, dass..?", glaubt Gottschalt. Seine ganz eigene Erklärung: "Wir sind geimpft, getestet, genesen. Manche sogar alles. Ich bin sogar noch geduscht."
"Ich habe das mit dem Hype nicht geglaubt, bis ich es selbst erlebt habe", kündigt Thomas Gottschalk Helene Fischer nur mittelcharmant an. Aber er nennt sie danach auch "eine von Europas besten Sängerinnen". Helene Fischer singt ihre neue Single "Null auf 100". Die Performance geht sowohl dem Publikum als auch ihr selbst unter die Haut: Als der Applaus im Studio losbricht, kommen der Sängerin die Tränen.
Die 37-Jährige ist im siebten Monat schwanger, sie trägt flachere Schuhe als sonst und trägt ein hinten offenes Jäckchen, dass ihren Bauch kaschiert. "Ich liebe das Thema nicht", sagt sie, als Gottschalk im Gespräch auf ihre Schwangerschaft hinsteuert. "Wenn ich dich nicht frage, sagen die morgen, der Gottschalk der Trottel wusste nicht, dass sie schwanger ist – ich wusste es." Sie weicht allen Halbfragen elegant aus, lächelt statt zu antworten und sagt, dass sie ihm privat alles erzählen würde.
Michelle Hunziker versucht es auf die Schwesterntour: "Du hast so einen schönen Glanz in deinen Augen, das sagt alles – das ist wirklich das Schönste im Leben." Bevor Fischer dazu etwas sagen könnte, unterbricht Gottschalk: "Wenn wir schon beim Müttergespräch sind …" Er will wissen, ob sie schnell wieder abnehmen will. Sie ist perplex. "Da habe ich mir ehrlich gesagt noch nicht so viele Gedanken gemacht." Michelle erzählt, dass sie bei ihrer letzten Schwangerschaft 18 Kilo zugenommen hat. Gottschalk: "Ich habe es schon geschafft, 18 Kilo zuzunehmen ohne Kind."
Später sagt er noch: "Ich habe deinen Thomas vorher getroffen, wir wollen gar nicht drüber reden, das ist ein cooler Typ. Der ist wirklich, wirklich gut für dich." Helene Fischer guckt wenig amüsiert, darüber, dass ihr Privatleben hier so thematisiert wird. Sie verrät dann lieber, dass sie 2023 wieder auf Tournee geht. Mit dem Cirque du Soleil.
Gottschalk will ihr den artistischen Kinder-Wettkandidaten für die Bühnenshow spaßeshalber aufschwatzen. "Wenn sich eine Frau auskennt mit Männern, die an der Decke baumeln, ist es Helene." Eine Anspielung auf ihren Freund, den Artisten Thomas Seitel. Als er sie fragt: "Du bleibst die ganze Zeit bei mir, du musst nicht zum Flieger, oder?" ist man ziemlich erstaunt, dass sie antwortet "Ne, ich habe heute nichts vor." Und Gottschalk scherzt noch, dass er so lange überziehen will, "dass ich eventuell noch den Taufpaten hinbekomme".
Gottschalk mit Björn Ulvaeus und Benny Andersson von Abba.bild: screenshot zdf40 Jahre haben Abba Pause gemacht. "Wetten, dass..?" mit Gottschalk nur zehn. "Du hättest nochmal 30 Jahre warten sollen", sagt Björn Ulvaeus. "Ich habe es nicht mehr ausgehalten", gibt Gottschalk zu. In Deutschland seien sie oft gewesen. "Du bist ja auch total nett , das darf man nicht vergessen", sagt Benny Andersson auf die Frage, warum sie gerade zu "Wetten, dass..?" gekommen sind.
Sie schwärmen ein bisschen von alten Zeiten, heute würden jeden Tag 80.000 neue Songs bei Spotify hochgeladen. Helene Fischer performt den alten Abba-Hit "SOS" mit einem kurzen Texthänger. Und in guter alter Star-Manier machen sich die beiden Abba-Herren nach absolviertem Promo-Auftritt wieder vom Acker. Weil sie "zum Flieger" müssen. Das war schon immer die klassische Begründung fremdsprachiger Stars, um die lange Sitzzeit auf der Couch zu verkürzen.
Bei der Dart-Wette über Markus Söder meinte Gottschalk im Hinblick auf die letzte Wahl: "Schade, unser Ministerpräsident wollte heute kommen, der kann das mit den Pfeilen auch gut, aber die landen alle in NRW."
Die Umgebung inspirierte Gottschalk zu "Lady Kacka"bild: screenshot zdfAls die Toilettenbürsten-Schwestern Lady Gagas "Poker Face" im Toiletten-Bühnenbild erraten hat, lässt Gottschalk denKalauer "Lady Kacka" natürlich nicht aus.
Den Weltkarten-Dart Kandidaten nennt er "Alter Schleimer", weil der Abba bei der Probe noch nicht kannte und nun im Beisein von Benny und Björn begeistert tut.
Zur Besitzerin des Hundes, der Abfall sortieren kann: "Manche Hunde wissen gar nicht, ob das Frauchen in die Plastik- oder die Biotonne gehört."
Als Michelle Hunziger erzählt, dass sie in den zehn Jahren seit "Wetten, dass..?! zwei Kinder und eine neue Frisur bekommen habe, stellt der Moderator süffisant klar "Mit den Kindern habe ich nichts zu tun."
Den achtjährigen Wettkandidaten fragt Gottschalk: "Ich bin der Thommy, Du kannst aber Herr Gottschalk zu mir sagen. Kennst du mich?". "Wen? ich habe nicht richtig zugehört", antwortet der Junge lässig zerstreut. "Immer in ganzen Sätzen, ja?", tadelt der Moderator ihn spielerisch.
Zu Frank Elstner, über Joko und Klaas: "Wenn du bei den beiden wärst , müsstest du dir 'Vielen Dank Frank' auf den Hintern tätowieren lassen."
Mit Joko und Klaas verbindet ihn ebenso Sympathie wie Konkurrenz. "Sie haben so klein angefangen und sind noch immer nicht so groß", stichelt Gottschalk. Klaas kontert: "Wir waren ja schonmal bei 'Wetten dass..?', bei Lanz." Aber Klaas lobt Gottschalk auch als Wegbereiter von Frechheit und Spontanität im TV: "Man kann sich ja auch während des Redens überlegen, was man sagt – das haben wir von dir gelernt. Deshalb sind wir froh, dass du da bist." Als die beiden ihren Sender ProSieben einige Male zu oft erwähnen, ruft Gottschalk sie zur Ordnung. Und als Gottschalk sagt, dass er dem ZDF viel zu verdanken habe, setzt Klaas frech dazu: "und Haribo" – Gottschalks jahrelanger Werbepartner.
Die Hamburgerin Zoe Wees gibt ihren Chart-Hit "Girls Like Us" zum Besten. Gottschalk geht danach zu ihr, erzählt was vom Erfolg in Amerika und sagt: "Ich weiß ja, dass man junge Frauen nicht so blöd fragt, wo sie herkommmen." Aber er hoffe doch, dass sie bei amerikanischen Interviews sage: "I am a Hamburger." Man ist nicht sicher, ob es ein Witz sein sollte, dass er dieSängerin, die sich für Body Positivity einsetzt, für einen Witz benutzt. Als Michelle Hunziker seinen rustikalen Humor später nochmal thematisiert, legt Gottschalk noch einen drauf: "Man sagt auch nicht Cheeseburger zu Frauen."
Heino Ferch bekommt kaum einen geraden Ton heraus. Angeblich, weil er bei den Dreharbeiten so viel schreien müsse. Zusammen mit Svenja Jung wirbt er für die Serie "Der Palast"über das Berliner Revue-Theater "Friedrichstadtpalast". Ferch überlässt Jung das Sprechen zu großen Teilen. "495 Frauen haben angerufen: Heino soll noch was sagen", sagt Gottschalk irgendwann. Als seine Schauspielkollegin fragt, ob sie übernehmen soll, sagt er: "Keine Sorgen, das kann ich schon." Gottschalk nennt Svenja Jung einmal "Juliane". Sie korrigiert ihn. Er nur wenig peinlich berührt: "Aber bisher war ich prima." Sie müssen als Wetteinsatz die Tanzszene aus "Pulp Fiction" tanzen. Ferch tanzt heute besser als er spricht.
Udo Lindenberg (75) stellt sein neues Lied "Kompass" vor. Gottschalk kalauert danach: "Früher hielten 30-Jährige ein Schild hoch: Udo, ich will ein Kind von dir. Heute stehen 30-Jährige da und sagen: Udo, ich bin deine Tochter." Lindenberg verabschiedet sich. "Wir müssen zu den Koalitionsverhandlungen. Wir fliegen mit Salatöl. Tschüß, keine Panik."
Frank Elstner, Erfinder und erster Moderator von "Wetten, dass ..?", kommt gegen Ende der Show. "Meine erste Sendung war 40 Minuten zu lang, ich glaube, du schlägst mich heute", sagt er zu Gottschalk. Der nonchalant: "Ich mach halt, bis wir durch sind." Am Ende hat er nur 31 Minuten überzogen.
"Wetten, dass..?" ist trotz Formaten wie "Montagsmaler", die er erfunden hat, so etwas wie Elstners TV-Vermächtnis. Er ist 79 Jahre alt ist und an Parkinson erkrankt. Wohl auch vor diesem Hintergrund ist sein Wunsch an Gottschalk zu verstehen:
"Ich fordere dich auf: Rede mit dem Programmdirektor des ZDF, dass wir 'Wetten, dass..?' einmal im Jahr machen. Dann können wir gucken, wie alt ist Thomas geworden und wie jung ist Michelle geblieben."Frank ElstnerProgrammdirektor Norbert Himmler sitzt in der ersten Reihe und lächelt. Ein 'Nein' sieht anders aus.
Ganz nebenbei zeigt Frank Elstners Auftritt aber auch,wie sehr sich die Gesellschaft verändert hat, seitdem er zuletzt große Shows moderiert hat. Den Baggerfahrer stellt er als "der große schwergewichtige Andy" vor und bei dessen Cousine fragt er das Publikum rhetorisch: "Können Sie sich vorstellen, dass diese junge Frau Dachdeckermeisterin ist und einen eigenen Betrieb hat?" Ja, es ist 2021 und das können wir.