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Die meistgewanderte Frau der WeltIhr Job ist das Wandern: Christine Thürmer über die ultimative Freiheit Login nicht möglich? Bitte haben Sie einen Moment Geduld, Ihr Konto wird eingerichtet!

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Zu Fuß von Görlitz an die Stiefelspitze Italiens hat Christine Thürmer von Corona nicht viel mitbekommen. Was nach Romantik und Abenteuer klingt, ist effiziente Planung und gutes Durchhaltevermögen. Die frühere Managerin ist gerade am Packen für die nächste Tour von Görlitz nach Finnland. Fünf Kilo wiegt ihre Ausrüstung. Mit unprätentiöser Normalität und sprühender Energie räumt sie mit den Klischees von „Höher, weiter, schneller“ und ultimativer Funktionsausrüstung in der Wanderszene auf. Und sie ist überzeugt, was sie macht, schafft bei normaler Gesundheit jeder.

Thru-hiking, das Weitwandern, wie man es von den großen Trails in den USA kennt, ist in Europa noch nicht sehr verbreitet. Hier ist Pilgern im Trend, wenn es um weite Distanzen geht. Wo liegt der Unterschied?Christine Thürmer: Das Ziel beim Pilgern ist ein spirituelles, was die Zielorte, die Etappen und auch das Gehen betrifft. Pilgern hat auch eine andere Infrastruktur als Wandern. Man schläft in der Regel in Herbergen oder Hotels und nicht im Zelt. Beim Wandern steht klar das Naturerlebnis im Vordergrund. Historisch betrachtet wollte ein Pilger so schnell wie möglich von A nach B kommen. Das ist da, wo heute Autobahnen und Bahnlinien verlaufen. Pilgerwege sind quasi Vorläufer von Hauptverkehrsadern, immer in der Nähe der Zivilisation und nicht nach Naturgesichtspunkten ausgelegt. Das heißt, man ist auch viel auf Asphalt unterwegs. Wandern aber ist möglichst naturnah.Sie wandern nicht ins Blaue hinein, sondern haben einen strikten Ablauf, wie sieht der aus?Christine Thürmer: Das ist wie in der Bibel, sechs Tage sollst du arbeiten, am siebten Tage sollst du ruhen. Sechs Tagen laufe ich und einen Tag pro Woche bin ich in einer Unterkunft, um auszuruhen, Haare zu waschen, Powerbank aufzuladen usw. Die Erfahrung zeigt, dass sich so ein Rhythmus auf lange Sicht auszahlt. Offensichtlich hat man das zu Zeiten des Alten Testaments schon erkannt. Klar kann man zwei Wochen durchlaufen, aber man braucht regelmäßig Regeneration, sonst verliert man die Lust und das Wandern wird zur Qual.

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Hätten Sie da nicht in Ihrem alten Job bleiben können, wo Sie als Managerin Betriebe saniert haben? Wo bleiben Spaß, Romantik und Erfüllung?Christine Thürmer: Was mich glücklich macht, sind Leistung, Reduktion und Verzicht, Überwindung und Selbstbestimmtheit. Wer glaubt, dass man alles aufgeben und nur in die Natur gehen muss, um sich selbst zu finden, der erliegt einer falschen Konsumhaltung. Die Natur macht gar nichts, ist bestenfalls Kulisse und die innere Wandlung wird nicht wie Manna vom Himmel fallen. Aber wenn man mit nur fünf Kilo Ausrüstung tagelang durch Dauerregen geht, dann wird jedes kleine bisschen darüber hinaus zum totalen Luxus und löst Glücksgefühle aus. Konkret heißt das, bei einer warmen Dusche könnte ich vor Glück schreien.Reinhold Messner hat einmal gesagt, dem Berg sei es völlig egal, ob er ihn besteige oder an ihm scheitere. Welche Bedeutung hat für Sie dann noch die Natur, wenn Sie bestenfalls nur Kulisse ist?Christine Thürmer: Da pflichte ich Messner bei, der Natur ist es völlig egal, ob wir da sind oder nicht, ob wir sie schön finden oder nicht. Bei der Schönheit legen wir wieder unsere menschengemachten Maßstäbe an. Der Widerspruch ist doch, alle wollen in die unberührte Natur und vergessen, dass sie eben nicht mehr unberührt ist. Ich möchte die tolle Natur überall sehen, im überwältigenden Gebirgspanorama in Patagonien gleichermaßen wie in einer Fichtenschonung in Brandenburg. Nehmt die Natur so, wie sie ist, und versucht nicht, Insta-Idealen anzuhängen.Nach welchen Kriterien wählen Sie Ihre Routen aus?Christine Thürmer: Ich gehe einfach los! Viele suchen ja das große Abenteuer. Ich versuche, das Abenteuer bewusst zu vermeiden, denn das kommt so oder so. Für mich besteht ein Teil des Abenteuers darin, dass es gerade nicht besonders spektakulär ist. Die Kriterien sind eher banal. Komme ich während Corona durch Polen, wo es außer ein paar Fichtenwälder nicht viel gibt? Oder von Ungarn hatten mir alle abgeraten, weil es langweilig sei. Tatsächlich war es aber toll. 1200 Kilometer Wanderweg durch hügeliges, nettes Mittelgebirge, Wildzelten ist erlaubt, ich konnte im ganzen Land lecker und günstig essen, an jeder Ecke gibt es ein Thermalbad. Natürlich haben Sie da keine atemberaubenden Panoramen, aber darum geht es mir nicht.Himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt – wann sind Sie das beim Wandern?Christine Thürmer: Downs hat jeder in der Anfangsphase. Meistens ist das eine Überlastung und man braucht einfach eine Pause. Mein Vorteil ist die Erfahrung. Ich habe fast alles schon einmal erlebt. Zu weinen oder aus Frust mit den Stöcken auf Bäume einzuschlagen, das passiert mir nur noch ganz selten. Mit der Zeit lernt man, die potenziellen Schwierigkeiten einzuschätzen und rechtzeitig zu handeln. Klar gibt es Tage, an denen man schreien könnte, wenn es dauerregnet, man an einem Steilhang in stacheligen Brombeersträuchern steht und sich verlaufen hat. Aber ich weiß, das geht wieder vorbei. Himmelhochjauchzend, das habe ich dagegen sehr oft. Jeden Abend, wenn ich die Schuhe ausziehe, das Abendessen mache und mich auf der Isomatte ausstrecke, denke ich mir, was für ein geiler Tag, was für in tolles Leben. Dieses Glück kriegt mich immer wieder!

Auf Ihren Wanderungen durch die ganze Welt auch ein paar Kilometer in Österreich zurückgelegt?Christine Thürmer:Auf dem Salzburger Almenweg, da hatte ich eine Mordsgaudi. Landschaftlich gibt sicher Spektakuläreres, aber wenn man von Österreich etwas mitbekommen möchte, ist der Almenweg super.Die Almen sind bewirtschaftet. Von ganz ursprünglich, ohneStrom, wo die Butter noch im Butterfass gestampft und dasWasser am Holzofen warm gemacht wird, bis zum 3 SterneNiveau mit Heuschlafen gibt es alles. Das hat mich wirklichgeflasht. Auf dem Almenweg habe ich die meisten Heiratsanträgebekommen. Nicht etwa von feschen Jungbauern, sondern von denSchwiegermüttern in spe. Das war nicht als Scherz gemeint. DieArbeit auf einem Hof ist schwer, man ist viel draußen und dasmachen nicht viele Frauen gerne. Da ich auf Natur stehe, hattensie mir das zugetraut und auch gleich gezeigt, wie das Kühemelken geht. Solche Einblicke bekommt man nur, wenn man nichtals Tagestourist unterwegs ist. Den Salzburger Almenweg habeich deshalb auch als Tourenempfehlung aufgenommen.

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