Und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende: Früher mussten wir Abenteuer bestehen, uns gegen den Sturm und die Widerstände des Lebens stellen, die uns und unsere Liebsten entzweien wollen. Doch schließlich rettet uns der Kuss der wahren Liebe – und alles ward für immer gut. So läuft es jedenfalls im Märchen, wenn es um Liebe und Beziehungen geht.
In der Realität ist das alle nicht ganz so einfach. Denn die Idee, bis ans Lebensende miteinander glücklich zu sein, stammt aus einer Zeit, in der die meisten Menschen keine 40 Jahre alt geworden sind. Da schien die Scheidung durch den Tod noch recht gut machbar. Wir fragen uns: Wie haben sich Liebe und Partnerschaft seither verändert?
Aktuell leben 60 Prozent der Erwachsenen in Deutschland in festen Beziehungen. Bei einer Umfrage gaben 82 Prozent der befragten Frauen und 80 Prozent der Männer an, in einer festen Beziehung insgesamt glücklicher zu sein, denn als Single. Die meisten Paare nehmen sich nach eigenen Angaben mehrmals im Monat Zeit, um etwas Romantisches zu zweit zu machen. Und rund ein Drittel der unverheirateten Paare gaben in einer Umfrage an, mehrmals pro Woche Sex zu haben. Unter den Verheirateten waren es dagegen nur noch 19 Prozent. Dennoch scheinen die Menschen in unserem Umfeld, je älter wir werden, mehr und mehr eine feste Beziehung von ihren Mitmenschen zu erwarten.
Dauersingles werden dagegen auch heute noch oft kritisch beäugt. Irgendwas muss mit denen doch nicht stimmen. Der toxische Junggeselle und die verrückte Katzenfrau sind Single-Klischees, die sich immer noch hartnäckig halten. Statistisch gesehen haben Singles seltener Sex als Menschen, die in einer Beziehung leben. Dafür verbringen Singles mehr Zeit mit ihren Freund:innen. Und so gibt es neben den zahlreichen Beziehungsenthusiasten etwa fünf Millionen überzeugte Singles in Deutschland.
Mit welcher Beziehung zu anderen Menschen wir uns am wohlsten fühlen, hängt offenbar auch von unseren Werten und unserer Persönlichkeit ab. Doch längst müssen wir uns nicht mehr alten gesellschaftlichen Konventionen unterwerfen und die klassische Mutter-Vater-Kind-Beziehung suchen. In der heutigen Gesellschaft haben sich viele verschiedene Beziehungsmodelle etabliert. Nach Lust und Laune kann jeder seine Liebe ausleben. Ob monogam, polyamor, on & off, mingle oder lat – wir stellen die verschiedenen Modelle vor.
Viele Menschen wünschen sich eine liebevolle Beziehung auf Augenhöhe mit und zu einer Partner:in. Glauben wir der Psychologie, scheint das 60 bis 70 Prozent der Menschen vergönnt zu sein. Sie werden als sichere Bindungstypen bezeichnet, die sich gerne und intensiv binden können. 10 bis 15 Prozent der Menschen gelten als unsicher-vermeidende Bindungstypen und nochmal genauso viele Menschen als unsicher-ambivalente Bindungstypen. Und dann gibt es noch die desorganisiert-desorientierte Bindung. Sie taucht etwa bei fünf bis zehn Prozent aller Paare auf. Das heißt: Viele Menschen sagen, dass sie eine Bindung wollen. Wirklich bindungswillig oder bindungsfähig ist dennoch längst nicht jede:r.
Das Sie-lebten-glücklich-bis-an-ihr-Lebensende-Modell ist die monogame Beziehung. Dabei entscheiden sich zwei Menschen dafür, ihr gesamtes Leben miteinander zu verbringen. Wörtlich übersetzt bedeutet Monogamie, dass es für jeden Menschen nur eine (mono) Ehe (gamos) gibt. In einer Umfrage gaben gerade Mal 25 Prozent der befragten Deutschen an, dass sie daran glauben, dass der Mensch von Natur aus monogam ist. Denn seit Menschen schnelllebige und wandelbare Lebenswege gehen und auch viel länger leben als zur Entstehungszeit des Konzepts der Monogamie, wählen viele Menschen eher die sogenannte serielle Monogamie. Dabei leben die Menschen zwar innerhalb ihrer Beziehung monogam, lassen ihre Ehe aber gelegentlich nicht vom Tod, sondern auch von einem Juristen scheiden. Oder trennen sich, wenn es nicht mehr passt. Für Monogamie-Skeptiker könnten die Alternativen spannend sein, die wir dir jetzt vorstellen.
Manchmal können Paare, wie es so schön heißt, nicht miteinander und nicht ohneeinander. Mal sind sie zusammen, dann wachsen die Probleme wieder bis zur Unerträglichkeit. Sie trennen sich, sie vertragen sich. Und so weiter. Und so fort. Etwa 60 Prozent aller Erwachsenen hatten bereits eine solche On-Off-Beziehung. Diese emotionale Achterbahnfahrt finden Forschende überaus bedenklich: eine Befragung von 545 homo- und heterosexuellen Menschen ergab, dass Menschen in einer On-Off-Beziehung eher an Depressionen und Angstzuständen leiden. Das galt, im Gegensatz zu heterosexuellen Beziehungen und lesbischen Paaren, besonders deutlich für schwule Partnerschaften. Dennoch räumen die Forschenden ein, dass eine Trennung auf Zeit auch helfen kann, Streitpunkte zu klären und so getrennt voneinander an sich oder der Beziehung zu arbeiten. Eine der Wissenschaftlerinnen bringt es so auf den Punkt: Wer häufiger Schluss macht und dann wieder zusammenfindet, sollte mittelfristig einen gesünderen Weg finden, an der Beziehung zu arbeiten. Denn oft gründet das An und Aus der Beziehung auf eine verbesserungswürdige Kommunikation. Ein klarer Schlussstrich sei für das psychische Wohlbefinden häufig hilfreicher als ein schwelender Konflikt.
Der Begriff Mingle ist Kombination aus Mixed und Single. Der Trendforscher Peter Wippermann hat sich dieses Wort 2014 ausgedacht, um damit Menschen zu beschreiben, für die eine feste Partnerschaft gerade nicht infrage kommt. Dennoch möchten sie die positiven Seiten einer Beziehung genießen. Manchmal nennt sich das auch Freundschaft Plus. Dabei tun sich zwei Menschen zusammen, die eine emotionale Verbindung und körperliche Nähe suchen, aber keine echte Verbindlichkeit eingehen wollen. Die Mingle-Beziehung hängt stark mit sexueller Selbstbestimmung und dem Wunsch nach Freiheit zusammen. Sie entkoppelt physische Nähe von romantischen Gefühlen. Doch statt Sex und Liebe völlig zu trennen, wünschen sich die Mingles eine gewisse emotionale Verbundenheit.
Während von den Erwachsenen zwischen 30 und 49 Jahren bereits 29 Prozent einen One-Night-Stand hatten, möchte die jüngere Generation lieber Sex mit Freund:innen als mit Fremden haben. Jede:r vierte unter 30 Jahren hatte schon mal eine Freundschaft Plus.
Für fast jede Form der Beziehung gibt es mittlerweile ein Wort. Auch für Menschen, die zwar zusammenleben, aber nicht zusammenwohnen wollen. Die feste Beziehung in getrennten Wohnungen nennt sich LAT. Das ist kurz für „Living Apart Together“. Klassischerweise sind Fernbeziehungen gleichzeitig auch LAT-Beziehungen. Aber auch ohne große räumliche Distanz sind immer mehr Beziehungen LAT-Beziehungen. Doch so beliebt diese Beziehungsform ist: Sie scheint die Partner:innen doch nicht ganz zufrieden zu machen. Denn bei LAT-Beziehungen ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie sehr glücklich sind und eine hohe Unterstützung erfahren, geringer als bei Ehen und Wiederverheiratungen, ergab eine Studie. Zugleich sind die LAT-Paare emotional weniger belastet und erleben durch die etwas geringere Verbindlichkeit eine größere Selbstbestimmung.
Wer polyamor lebt, liebt zwei oder mehr Partner:innen, mit denen er oder sie sich in einer Liebesbeziehung befindet. Bei der Polygamie haben wir es dagegen, wörtlich übersetzt, mit einer Vielehe zu tun, also eine Ehe mit mehreren Menschen. In der Praxis wird dabei weniger geheiratet und viel mehr Spaß gehabt: Denn während es bei der Polyamorie um Liebesbeziehungen mit mehr als einem Menschen geht, dreht es sich bei der Polygamie um Sex mit mehreren Partner:innen. Doch egal ob Polyamorie oder Polygamie: Wo Poly draufsteht, ist ein Hinterfragen des klassischen monogamen Gesellschaftssystems inbegriffen.
Der Übergang von der Polygamie zur offenen Beziehung ist fließend. Denn wer sich für eine offene Ehe oder offene Beziehung entscheidet, erlaubt seinem Gegenüber, sich auch mit anderen Menschen einzulassen. Dabei macht jedes Paar seine eigenen Regeln. Manche erlauben sich gegenseitig, ihre Bisexualität mit anderen Partner:innen auszuleben oder haben als einzige Regel, dass darüber nicht gesprochen wird. Die Ausgestaltung ist so individuell, wie die Paare selbst. Doch auch wenn diese Art der Beziehung immer häufiger in den Medien erwähnt wird, ist diese Lebens- und Liebensform kein echter Trend. Gerade einmal sechs Prozent der Deutschen haben einer Umfrage zufolge bereits eine offene Beziehung geführt. Und nur fünf Prozent haben sich für eine Beziehung mit mehreren Personen entscheiden.
Doch wer sich für diese Beziehungsform entscheidet, versucht nicht einem Trend zu folgen – sondern seinen Bedürfnissen. Bei offenen Beziehungen und offenen Ehen geht es dagegen seltener um Polyamorie, da die Liebe meist in der Hauptbeziehung bleibt. Bei der klassischen Ehe schlafen die Partner:innen nur mit einander. Eventuelle Seitensprünge passieren heimlich, da sie nicht zur ursprünglichen Vereinbarung der monogamen Beziehung gehören. Das ist bei der offenen Beziehung oder der offenen Ehe anders: Hier erlauben sich die Partner:innen gegenseitig, sich auch außerhalb der Beziehung die Hörner abzustoßen und sexuelle Erfahrungen mit anderen Menschen zu machen.
Egal, ob wir polyamor, monogam oder mit einer Freundschaft Plus leben: Was uns im Leben glücklich macht, ist die Beziehung zu anderen Menschen. Wenn eine Beziehung dagegen nicht mehr gut ist, kann sie auch unserer Gesundheit schaden: Insbesondere negative Verhaltensmuster von Ehe- oder Lebenspartnern haben Auswirkungen auf die Gesundheit. Glückliche Beziehungen halten gesund, wohingegen sich Stress in der Liebe auch negativ auf die Gesundheit auswirken kann. In einer Studie hatten die Menschen, die von sich sagten, in ihrer Ehe nicht allzu glücklich zu sein, eine 40 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit einen schlechten Gesundheitszustand zu haben als die Menschen, die mit ihrer Ehe zufrieden waren.
Ob unsere Beziehungen gelingen, scheint dabei keinem allzu schwierigen Schlüssel zu folgen. Das Erfolgsgeheimnis sehen Forschende in einem einfachen Verhältnis: Wenn ein Paar fünfmal mehr positive als negative Interaktionen hat, blieben sie einer großen Studie zufolge länger zusammen als Paare, deren Verhältnis nach unten abwich.
Wir sollten wissen, was wir uns von einer Beziehung wünschen. Bevor wir mit jemand anderem glücklich werden können, sollten wir uns also selbst etwas besser kennenlernen. Denn wie sich unsere Beziehungen gestalten, hängt davon ab, was für ein Mensch wir sind, was wir brauchen und wen wir lieben. Du willst mehr zu dem Thema wissen? Dann hör doch mal beim Podcast der TK Gesundheit zum Hören: Partnerschaft rein.
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