Erst erlebte Mikaela Shiffrin am Montag im Riesenslalom eine Enttäuschung, rutschte nach sieben Toren aus und schied aus. Dann folgte am Mittwochmorgen deutscher Zeit direkt der nächste Rückschlag: Im Slalom bei den Olympischen Winterspielen in Peking war sie sogar noch schneller draußen. Schon nach dem vierten Tor war für sie Feierabend. Danach saß sie noch mehrere Minuten alleine auf der Strecke, drückte den Kopf in die Armbeuge.
Im ZDF sagte die Amerikanerin nach ihrem Aus: "Ich habe mich gut gefühlt, und es war auch nur ein kleiner Rutscher. Es ist wahnsinnig schwer für mich, das zu verstehen." Trost gab es nach dem zweiten frühen Aus bei Olympia von Skirennlauf-Legende Lindsey Vonn auf Twitter: "Bittere Enttäuschung für Mikaela Shiffrin. Aber es nimmt nichts weg von ihrer herausragenden Karriere und was sie noch alles erreichen kann und wird. Kopf hoch!"
Vonn hatte vor den Spielen ihre Landsfrau als klare Favoritin beim Skirennfahren eingeschätzt. Gegenüber watson sagte sie: "Ich vertraue auf ihre Fähigkeit, in jeder Disziplin, in der sie startet, eine Medaille zu holen. Sie ist eine großartige Botschafterin für den Sport." Zumindest für den Riesenslalom und den Slalom lag Vonn mit ihrer Einschätzung falsch. Im Super G und möglicherweise auch in der Abfahrt hat Shiffrin allerdings wohl erneut die Chance auf eine Medaille.
Trotz der aktuellen Enttäuschungen könnte sie zudem als beste Skirennläuferin in die Geschichte eingehen. Aktuell hält Vonn mit 82 Weltcupsiegen die Bestmarke der Frauen, Shiffrin liegt mit 26 Jahren schon bei 73 Siegen. Die 37-Jährige Vonn würde ihrer Landsfrau diesen Erfolg gönnen: "Ich würde mich natürlich für sie freuen. Es wäre großartig für den Skirennsport und für den amerikanischen Sport generell. Ich feuere sie immer an, damit sie erfolgreich ist."
Selbst kann Vonn nicht mehr Skifahren. Vor ziemlich genau drei Jahren, am 10. Februar 2019, beendete sie ihre aktive Karriere wegen anhaltender Knieprobleme. Gegenüber watson gibt sie zu, dass sie den "Wettkampf und das Adrenalin" vermisse. "Ich denke, das wird sich nie ändern."
Gleichzeitig ist sie sich sicher, dass sie noch in Peking dabei wäre, wenn ihr Knie keine Probleme bereiten würde. "Ich würde natürlich noch Ski fahren, wenn ich nicht so viele Verletzungen gehabt hätte und nicht so große Schmerzen. Aber das ist das Leben und ich kann es nicht ändern. Ich kann nur dankbar sein für die Zeit, die ich hatte."
"Wahrscheinlich ist ein künstliches Kniegelenk die einzige Möglichkeit."Lindsey Vonn darüber, was sie gegen den anhaltenden Schmerz machen kannMehrere Kreuzband- und Innenbandrisse, ein Haarriss im Schienbeinkopf, ein Bruch des Schienbeinkopfes und ein Knöchelbruch sind nur einige Verletzungen aus einer langen Liste. Deshalb habe sie auch nach ihrer Karriere durchgängig Schmerzen im Knie.
Auf die Frage, wie sie diese in den Griff bekommen könnte, antwortet sie: "Wahrscheinlich ist an diesem Punkt ein künstliches Kniegelenk die einzige Möglichkeit."
Von einem Comeback der 37-Jährigen ist deshalb nicht mehr auszugehen. Bei den Olympischen Winterspielen in Peking ist sie TV-Expertin für den amerikanischen Fernsehsender NBC aktiv.
Im Rahmen dieser Tätigkeit scherzte sie nun sogar über eine Rückkehr. Im TV-Programm hatte ein Reporter über das Abfahrtsergebnis der Herren gesagt, dass das Durchschnittsalter auf dem Treppchen 35 Jahre betrage. Ein Nutzer auf Twitter hatte das zitiert und mit dem Satz "komm zurück, Lindsey Vonn" kommentiert.
Die 37-Jährige antwortete auch prompt: "Hey, bringt mich nicht in Versuchung." Zusammen mit dem Zusatz: "Clarey hat mich einfach inspiriert. Silbermedaille mit 41 Jahren!" Sie bezog sich auf den Franzosen Johan Clarey, der vier Jahre älter als Vonn ist und als Zweiter ins Ziel kam.
Ihre Verletzungen und Schmerzen würden die 37-Jährige allerdings an einem Comeback hindern. Andere Leiden, die sie während ihrer Karriere ebenfalls beschäftigten, sind die psychischen. Die Skirennfahrerin erkrankte an Depressionen und ging damit 2012 während ihrer Karriere an die Öffentlichkeit.
Die Biographie von Lindsey Vonn erschien im Januar.Bild: Lindsey Vonn / Lindsey VonnIm Gespräch mit watson sagt sie dazu: "Es ist ein chemisches Ungleichgewicht im Körper und nichts wofür man sich schämen muss. Ich habe seit 2012 darüber gesprochen und ich bin glücklich, dass immer mehr Menschen darüber sprechen. Depressionen sind ein Teil meiner Geschichte und am Ende hoffe ich, dass meine Geschichte anderen Menschen hilft."
Während ihrer Karriere habe sie mit ihrem Team über die Depression gesprochen und auch darüber, ob sie an die Öffentlichkeit gehen sollte. "Viele Menschen waren besorgt, dass es meine Karriere ruinieren könnte." Außerdem sei sie selbst auch verängstigt gewesen, "aber ich habe gedacht, dass es wichtig ist, meine Geschichte zu teilen."
Heute scheint sie die Depressionen überstanden zu haben und auch die Zeit in ihrer Freizeit ohne Ski kann sie wieder wertschätzen.
Vonn erzählt: "Ich liebe neue Abenteuer wie Reisen und das Ausprobieren neuer Sportarten. Ich mag es auch, mit meinen Hunden und meiner Familie zu Hause zu entspannen. Manchmal sind die einfachsten Dinge die schönsten."