September 2021 in Mitteleuropa, die »Welt« fragt: „Wann fliegen in Deutschland autonome Fluggeräte?“ Es geht um Lilium, ein Start-up aus Oberbayern. Die Firma ist gerade an die Börse gegangen. Das ist eine gute Nachricht – für alle, die zur Arbeit fliegen wollen. Denn: Lilium baut Flugtaxen. Das »Handelsblatt« nennt das eine „Revolution“.
September 2021 in Subsahara-Afrika: In Addis Abeba fährt eine S-Bahn, die einzige südlich der Sahara. Das ist keine Schlagzeile, bloß eine Feststellung. Afrika hat das schlechteste Straßennetz der Welt, das schlechteste Gesundheitswesen, das schlechteste Stromnetz. Alles Mängel, alles Defizite, alles Defekte. Aber für Unternehmer eben auch: alles aufregend, alles Potenzial. Revolutionen sind in Afrika Alltag, weil so viel revolutioniert werden muss. Alles geht besser, schneller, schlauer. Und wer das schafft, wird reich. Und berühmt. Und verändert das Leben von Millionen, so wie Lori Systems, eine Firma aus Kenia.
„Nirgendwo ist der Transport von Waren so teuer wie in Afrika“, sagt Uche Ogboi. Auch um sie wird es später in dieser Serie gehen und um ihre Firma: Lori Systems, eine Art Uber für Trucks. In Europa und den USA machen Transportkosten 6 Prozent aller Preise aus. „In Afrika sind es bis zu 70“, sagt Ogboi. Das liegt an kaputten Straßen, geschlossenen Grenzen, fehlenden Krediten, an Fahrern und Transporteuren, an Korruption, Klau und Klima – am Chaos. „Wir wollen das ändern“, sagt Ogboi. „Und Afrika wettbewerbsfähig machen.“ Sollte sie damit Erfolg haben, wäre das eine Revolution, eine echte, schon wieder.
Disruption ist in Afrika kein abgedroschenes Schlagwort, sondern notwendig. Das macht Gründer hier so wichtig. Weil sie wachsen müssen, an der Größe der Probleme.
Unser Flugzeug rollt aus. Stoppt. Willkommen in Lagos – am Murtala Muhammed International Airport, benannt nach einem Präsidenten, der von Demokratie träumte und erschossen wurde. Die Sonne steht tief. Der Himmel sieht aus wie eine fleischfressende Pflanze. Wir drängen aus der Maschine. Absätze klackern auf Beton, Trolleys schnurren. Dann stoppt die Menge: Covid-Test-Kontrolle. Der Mann am Schalter ist jung, freundlich – und korrupt. „Ich kann den QR-Code nicht scannen“, sagt er. „Was habt ihr mir mitgebracht?“ Er ist nicht der Einzige, der Geld will, er ist nur der Erste. Ein Grenzbeamter in Uniform fragt: „Was habt ihr für mich?“ Ein Soldat mit Gewehr verlangt eine Spende. Die Frau am Zoll öffnet Koffer, sucht und sagt: „Schöne Tasche. Darf ich die haben?“