Die Modebranche schadet dem Klima mehr als die kommerzielle Luftfahrt. Doch das Umweltbewusstsein der Hersteller ist noch klein und wird zum Geschäftsrisiko.
Walter Niederberger aus San FranciscoKleider sind mehr denn je eine Massenware. Modehäuser wie H&M, Old Navy oder Zara bieten die Ware so billig an, dass es Kundinnen schwerfällt zu widerstehen. Doch ist die Fast-Fashion-Gesellschaft für enorme Umweltschäden verantwortlich, die in den Preisen überhaupt nicht enthalten sind.
Von den jährlich 100 Milliarden verkauften Kleidungsstücken landet gemäss einer UBS-Studie mehr als die Hälfte innert einem Jahr auf der Müllhalde oder in einer Kehrichtverbrennungsanlage. Besonders verschwenderisch ist die Frauenmode, berichtet die auf Nachhaltigkeit bedachte Ellen MacArthur Foundation.
In den USA werfen Frauen 60 Prozent ihrer neuen Kleider weg, ohne dass sie sie nur ein einziges Mal getragen hätten. Mode ist eben billig, und viele Hersteller bieten im Wochenrhythmus neue Ware an, um die Nachfrage anzukurbeln. Die Tieflohnfabriken in Asien sind einem endlosen Preisdruck ausgesetzt und werfen unablässig Billigware auf den Markt.
Kein Wunder, dass Kleider und Schuhe in den USA inflationsbereinigt 50 Prozent weniger kosten als 1990; und in Grossbritannien die Preise gar um 75 Prozent gefallen sind. Bohoo und Pretty Little Thing, zwei Billigketten in Grossbritannien, unterbieten sich gegenseitig mit Preisen von 5 bis 6 Pfund für ein Sommerkleid.
Einzelne Länder wie Frankreich versuchen die Verschwendung zu unterbinden, doch auf breiter Front drohen der Branche keine Eingriffe. Eine Regulierung sei deswegen so schwierig, weil sich die Produktionskette über mehrere Länder und Industrien hinweg erstrecke, darunter die Petrochemie und die Forstwirtschaft, erklärt Christina Dean, Gründerin von ReDress und The R Collection, eine auf nachhaltige Mode spezialisierte Stiftung und ein Modelabel.
«Das grösste Problem ist, dass das Recycling fast unmöglich ist, weil die Stoffe aus mehreren unterschiedlichen Fasern gefertigt werden. Zudem wird die Zusammensetzung der Stoffe meist falsch deklariert», sagt Dean. Dies macht es fast unmöglich, die Stoffe sauber zu trennen und zu verwerten. «Das Recycling befindet sich noch im vorindustriellen Zeitalter. Die Fasern werden zerstückelt und beschädigt, woraus nur minderwertige Ware hergestellt werden kann.»
In der Umweltbilanz liegt die Modeindustrie weit hinten. Weniger als ein Prozent der Kleiderproduktion wird wiederverwertet, während 8,6 Prozent der globalen Wirtschaft bereits zirkulär organisiert sind. Der kommerzielle Flugverkehr ist gemäss der Citigroup für 2 bis 3 Prozent der klimaschädlichen Emission verantwortlich, doch die Modebranche muss sich fast 10 Prozent der Klimabelastung anrechnen lassen.
Verantwortlich ist die Massenfertigung auf Basis der Chemie- und Petroindustrie, der Abholzung von Tropenwäldern und der Vernichtung von getragenen Kleidern. «Die Modeindustrie fällt jedes Jahr 200 Millionen Bäume allein für Rayon- und Viscosefasern», sagt Nicole Rycroft, Direktorin der Umweltorganisation Canopy Planet. «Zudem werden 3,5 Milliarden Bäume für Verpackungsmaterialien verbraucht.» Der Trend zur Fast-Mode werde diese Entwicklung beschleunigen. «In den nächsten zehn Jahren müssen für die Mode doppelt so viele Bäume wie heute gefällt werden, die zur Reduktion der Klimagase fehlen werden.»
Die Zeit, die Schäden für die Umwelt zu ignorieren, läuft jedoch ab, sagen die Modeexpertinnen. «Nachhaltige Geschäftsmodelle wie das Vermieten und Auffrischen von hochwertiger Mode sowie Secondhandshops werden vor allem unter jüngeren Kundinnen immer populärer», erklärt Christina Dean. «Wir erleben einen Umdenkprozess», fügt Nicole Rycroft an. «Wenn sich die Modebranche nicht anpasst, wird sie das wirtschaftlich rasch zu spüren bekommen.»
Auf dem Spiel steht ein Absatzverlust von 10 bis 30 Prozent, schätzt die UBS. «Ob eine Kundin allerdings ein Stück aus Polyester oder Baumwolle kauft, ob es als vegan vermarktet wird oder als recycelt, ist gemessen am schieren Volumen fast bedeutungslos für die Umwelt», sagt Rycroft. Denn selbst ein T-Shirt aus Biobaumwolle verbrauche gleich viel Wasser wie ein traditionelles T-Shirt. «Wirklich entlastet wird die Umwelt nur, wenn die Kundinnen dem Reiz der tiefen Preise widerstehen.»
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