Schwere Zeiten für Schuhhändler: Seit Jahren kämpfen die Geschäfte mit Kundenschwund. Denn längst haben sich große Online-Player wie Zalando oder Amazon auf dem Markt breit gemacht. Und auch die Modeketten wie H&M oder Zara bieten inzwischen Schuhe an - und die sind meist modischer und günstiger als in den Schuhgeschäften. Laut dem Bundesverband des Deutschen Schuheinzelhandels (BDSE) schrumpfte die Zahl der Schuhhändler allein zwischen 2010 und 2014 um mehr als zehn Prozent.
Während kleinere, inhabergeführte Geschäfte verschwinden und auch die großen Ketten wie Reno oder Görtz den Gegenwind spüren, trotzt Deichmann dem Trend. Das Familienunternehmen, das 1913 gegründet wurde, konnte 2016 ein neues Rekordergebnis vermelden. Während die Branche ein Umsatzminus von zwei Prozent kassierte, wächst Deichmanns Umsatz in Deutschland um 5,9 Prozent auf 2,2 Milliarden Euro.
Doch warum hat Europas größter Schuhhändler Erfolg, wo andere Händler in die Knie gehen? Das kann an den Billig-Schuhen liegen, die zwar den Umsatz nach oben treiben - allerdings mehren sich auch die Vorwürfe gegen das Essener Schuhgeschäft. Regelmäßig gibt es Berichte über Hungerlöhne und Ausbeutung. Zuletzt nahm sich die ARD Deutschlands Schuhimperium vor.
Deichmann selbst sagt dazu, dass die Expansion in neue Märkte das Wachstum ankurbelt. Und auch Zukäufe wie zuletzt im Herbst 2016, als Deichmann die Marke Buffalo übernahm - sie allerdings nicht als Eigenmarke in die Deichmann-Filialen stellt, sondern die Vertriebswege und die Eigenständigkeit der Marke aufrecht erhält. Doch das wirkliche Erfolgsrezept des Essener Konzerns ist die Online-Strategie - und die ist nun schon 17 Jahre alt.
Bereits im Jahr 2000 eröffnete der Essener Konzern seinen Online-Shop. Zum Vergleich: Den Internethändler Zalando gibt es erst seit 2008. Heute profitiert Deichmann von den Netzaktivitäten."Unsere Umsatzentwicklung ist in hohem Maße auch durch das Online-Wachstum getrieben“, so Heinrich Deichmann, Vorsitzender des Verwaltungsrates bei Deichmann.
Die Strategie der Essener: Sie verzahnen die On- mit der Offline-Welt. In größeren Geschäften gibt es inzwischen Touch-Screens, über die die Kunden das gesamte Sortiment einsehen können. Ist ein Modell in einer Filiale vergriffen, können Kunden sich den Schuh nach Hause liefern lassen. Gefällt der Schuh nicht, ist die Rückgabe per Post oder in Filialen möglich. Außerdem baut das Unternehmen die mobile Erreichbarkeit des Shops aus.
Die Omnichannel-Taktik geht offenbar auf und wird inzwischen auch von Wettbewerbern adaptiert. Branchenexperten wundert das wenig, denn die Nummer Zwei und Drei auf dem Schuhhandelsmarkt - Reno und Görtz - sind auf den Online-Trend nur zögerlich aufgesprungen. Ein großer Fehler, wie sich nun zeigt. Denn andere, neue Akteure laufen den alteingesessenen Firmen den Rang ab.
Auch Reno setzte die Konkurrenz aus dem Netz zu. 2015 stand die Firma zum Verkauf, vor knapp einem Jahr wurde bekannt, dass der Finanzinvestor Capiton und der größte türkische Schuh-Einzelhändler Ziylan Group bei der Schuhkette einsteigen. Im Herbst 2016 wurde dann die neue Strategie für den Online-Auftritt bekannt - und die erinnert stark an die Ideen von Deichmann. Für die neu gestaltete Internet-Filiale bekam Reno den "Deutschen Online-Shop-Preis 2016" verliehen.
Auch Görtz, der "Schuhkönig von Hamburg", war in die Krise gerutscht. Das seit 1875 bestehende Familienunternehmen litt unter Umsatzrückgang, musste 2014 den Investor Afinium ins Boot holen, der mit 40 Prozent bei der Firma einstieg. Man habe "die eine oder andere Chance verpasst, weil wir nicht alle vielversprechenden Ideen mit der nötigen Ausdauer verfolgt haben", so Frank Revermann,Geschäftsführer von Görtz, zur "Welt".
Die Deichmann-Wettbewerber haben den Online-Handel vernachlässigt. Nun wird aufgerüstet. Ob dieser Schritt zu spät kommt, wird sich erst zeigen müssen.
Klar ist: Leichter wird es für den Schuh-Einzelhandel nicht. Gerrit Heinemann, Leiter des eWeb Research Center an der Hochschule Niederrhein, warnt den Handel davor, wie "in der Steinzeit" zu agieren. Er erwartet, dass sich der Anteil von Online-Käufen von aktuell rund zehn Prozent auf 25 Prozent erhöhen wird. Hier lauern auch Amazon, Zalando und Co., die ordentlich die Werbetrommel für ihre Plattform rühren. "Amazon will 30% vom Markt – und die werden sie sich über weitere Aktionen holen", sagte ein Handelsexperte zum Branchenblatt "Schuhkurier" vor knapp zwei Jahren. Der Bereich Fashion wurde zuletzt bei Handelsriesen ausgebaut.
Und Zalando? Auch wenn das Unternehmen noch immer mit dem "Schrei nach Glück"-Spot und der Schuhlieferung in Verbindung gebracht wird, verkauft das Onlinehaus inzwischen eher Mode als Schuhe. Laut "Etailment" beziffert Zalando den eigenen Marktanteil mit fünf Prozent. Mächtige Konkurrenz für die Schuhverkäufer aus der Fußgängerzone. "Wer lokalen Handel wie zu Zeiten von Fugge und Hanse betreibt, ist ganz klar am meisten gefährdet", mahnt auch Heinemann im Interview mit Locafox.