Was früher der Inbegriff von Luxus war, bekommt man heute schon für weniger als 50 Euro: Kaschmirpullover werden beim Discounter Lidl genauso günstig verkauft wie bei Zalando. Kommt noch der Schlussverkauf dazu, kosten die edlen Pullis aus Ziegenhaar kaum mehr als Baumwolltextilien.
Kaschmir boomt: Die Nachfrage nach der Ziegenwolle, die wärmt, aber nicht kratzt, steigt seit Jahren. Doch die Zahl der Ziegen kann nicht einfach erhöht werden, denn diese leben nur in wenigen, sehr kalten Gebieten. In der Mongolei, in China, Afghanistan - und eben in der Region Kaschmir, die zu Indien gehört. Weltweit wurden die Herden vergrößert - allein zwischen 1993 und 2009 verdoppelte sich die Zahl der Tiere auf über 44 Millionen. Doch von einer Ziege können nur rund 200 Gramm Wolle pro Jahr gewonnen werden. Zum Vergleich: Ein normales Wollschaf produziert rund drei Kilo Wolle im Jahr. Und so istder Kaschmirpreis üppig: Rund 200 Euro pro Kilo Rohwolle werden fällig. Laut "Marketwacht" wächst der weltweite Markt für Kaschmir-Bekleidung bis 2025 auf insgesamt 35 Milliarden US-Dollar an.
Dass günstige Modeketten oder Discounter die Pullover dennoch zu solche Schnäppchenpreisen anbieten können, hat mehrere Ursachen. Zum einen sind die Kleidungsstücke oftmals dünner gewebt, so dass weniger Wolle verarbeitet wird. Andere produzieren keine reinen Kaschmirtextilien, sondern mischen nur einen Wollanteil bei. Auch die Qualität des Kaschmirs kann die Produkte billiger machen.
Allerdings kann auch am Tierwohl gespart werden, in dem die Ziegen in riesigen Farmen gehalten werden. Die Tierschutzorganisation Peta veröffentlichte ein Video von einer solchen Massentierhaltung,wo den Ziegen mit spitzen Kämmen oder sogar mit bloßen Händen das Fell ausgerissen wurde.
Die Hamburger Stiftung "Aid by Trade", die 2005 von Michael Otto gegründet wurde, will sich gegen diese Tierquälerei einsetzen. Das Qualitätssiegel " The Good Cashmere Standard" wird verliehen, wenn ein Hersteller zertifizierte und nachhaltig produzierte Rohwolle nutzt. Artgerechte Tierhaltung, Umweltschutz und faire Arbeitsbedingungen für Arbeiter und Bauern müssen gewährleistet sein. Bis Kunden Pullis und Co. mit diesem eingenähten Siegel kaufen können, wird es noch bis Ende des Jahres 2020 dauern.
Doch auch wer schon jetzt einen Kaschmirpulli kaufen will, kann auf Siegel achten. So gibt es das kbT-Siegel, das kontrollierte biologische Tierhaltung garantiert. Das Label ist geschützt und gibt dem Käufer Hinweise darauf, wie die Herstellungsbedingungen sind.
Tierschützern geht das alles nicht weit genug. Sie kritisieren bei dem neuen Siegel und den bestehenden Zertifikaten, dass Kaschmir ohne Tierquälerei nicht entstehen könne. Diese Siegel seien nur dafür da, das Gewissen der Verbraucher zu erleichtern, berichtet "RTL":
Dennoch: Einige Modefirmen, wie H&M, Hugo Boss, Lacoste sowie Jack&Jones wollen das neue Label nutzen. Asos und H&M kündigten darüber hinaus an, auf konventionell hergestelltes Kaschmir künftig zu verzichten.
Ob nun schon bestehendes Label oder die neue Zertifizierung: Kunden sollten nicht nur auf den Preis bei Kaschmir achten - sonst werden sie sich schnell ärgern, berichtet das Verbrauchermagazin Markt vom "NDR", das billige Kaschmirpullover getestet hat. Einige liefen bis zu zwei Konfektionsgrößen ein, die Naht an den Ärmeln wellte sich und einige Schnäppchen hatten schnell kleine Knötchen, das sogenannte Pilling, gebildet. Das Fazit der "NDR"-Tester: "Gute Qualität hat offenbar nach wie vor ihren Preis. Bei einem Einkaufswert von mindestens 50 Euro reinen Kaschmirs auf dem Weltmarkt ist ein hochwertiges und langlebiges Produkt laut Expertenmeinung für 40 Euro kaum zu erwarten." Laut dem Textil-Experten Dr. Phan müssen Kunden mindestens mit 150 bis 200 Euro rechnen, wenn sie einen Kaschmirpullover kaufen wollen.