Im deutschen Handball hat noch niemand derart polarisiert wie Bob Hanning. Der SPORTBUZZER wagt eine kritische Würdigung zum Ende seiner Amtszeit als DHB-Vizepräsident.
Freitagmorgen, 8 Uhr: Auf dem Trainingsplan der Berliner Jungfüchse steht Kraft. Der Coach: Bob Hanning. Dass er keine drei Stunden später sein Buch "Hanning. Macht. Handball“ präsentiert, seine Zeit als Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB) am Sonntag endet – alles weit weg. Hanning ist bei seinen Jungs. So wie fast jeden Morgen in den vergangenen 16 Jahren. "Andere gehen Segeln, spielen Golf. Für mich ist es pure Entspannung, meine Leidenschaft und macht am meisten Spaß.“ Es ist seine Triebfeder, seine Energie, die er brauchte, um im deutschen Handball für reichlich Gewitter zu sorgen.
AnzeigeDenn kein Funktionär, kein Trainer, kein Spieler polarisiert mehr. Für die einen ist er der Voldemort des Handballs. Provokateur, machtbesessen, eitel und arrogant. Für die anderen ist er Bob der Baumeister, der Netzwerker, der den am Boden liegenden, mitgliederstärksten Handball-Verband der Welt saniert und die Männer-Nationalmannschaft 2016 mit EM-Gold zu altem Glanz gemanagt hat. Für die breite Masse ist der 53-Jährige der mit den bunten Pullovern, der lustige Typ vom Handball. Ein Vizepräsident im Ehrenamt als Gesicht einer Sportart – das sagt viel über Hanning, aber auch über den Handball aus.
Für Andreas Michelmann (61), seit sechs Jahren Verbandspräsident, ist Hanning ein Vertrauter, mit dem er "sehr gut zusammengearbeitet hat. Und wenn wir unterschiedlicher Meinung waren, haben wir das unter vier Augen geklärt." Hart, offen, direkt. "Bob ist da ja nicht gerade hypersensibel.“
Unstrittig für Michelmann: Hanning hat den Verband professionalisiert. Er hat Sponsoren an Bord geholt, Fernsehverträge ausgehandelt. Für Michelmann ist "der EM-Sieg 2016 sein Verdienst“. Auch die "gigantische Mission vom Olympiasieg 2020“ zu einem Zeitpunkt zu formulieren, als Deutschland nicht mal bei einer WM mitspielte, sei richtig gewesen. "Hinter dem Ziel konnten sich viele versammeln“, sagt Michelmann. Aber: "Bob ist einer der provoziert, zuspitzt, in den Jahren einige vor den Kopf gestoßen hat.“ Und das schon bei Amtsantritt mit dem Arbeitspapier "Amateure hoffen, Profis arbeiten“, einem Affront gegen die alte DHB-Garde. Für Michelmann war klar: "Wer Bob Hanning haben will, kauft das Gesamtpaket.“ Er sei immer in der Lage, zu überraschen, "sei es mit seinen Pullovern“. Was Michelmann schätzt, "dass man sich auf ihn verlassen kann“.
EM 2016: Hanning (M.) - damals noch in einem ungewöhnlich klassischen Hemd - fiebert gemeinsam mit Michelmann (l.) und DHB-Teambetreuer Oliver Roggisch auf der Tribüne mit© IMAGO / HeubergerHannings Eltern waren Bob-Dylan-Fans. Daher sein Spitzname Bob, in seinem Ausweis steht Hans Robert. In Essen geboren, wollte er Handballprofi werden. Als Torwart. Doch mit nur 1,68 Meter war klar, dass das nichts wird. Dafür trainierte er mit 14 Jahren Jugendteams. Nach der Schulzeit verkaufte er Sportschuhe, führte Cronenburg, ein Essener Team, zum Aufstieg und hatte ein Sportgeschäft. 1993 holte Tusem Essens Boss Klaus Schorn ihn zu dem Essener Verein – als Co-Trainer und Chef für die A-Jugend, die er zum Meister machte. Hannings Motto: "Ich kann nicht viel. Aber was ich kann, kann ich besser als alle anderen.“
In Hamburg hat er den insolventen HSV gerettet, das Team vom Tabellenende in die Spitze geführt, dabei erkannt, "wie das Spiel mit den Medien funktioniert“. So grüßte er als Napoleon aus der Hallenzeitung. "Es war ein Manöver, um von der sportlichen Krise abzulenken.“
Hanning als Magnet und Blitzableiter. Es war auch der Beginn seiner persönlichen Markenbildung, die vor zwei Jahren bei der Heim-WM mit seinen schrillen Pullis seinen Höhepunkt hatte. Ein Sündenfall mit Kalkül. "Ich wollte Druck von der Mannschaft nehmen, Werbung für die WM machen.“ Der Plan ging auf, der Handball hatte eine Farbe – und das nicht nur im Boulevard. Darauf reduziert zu werden, ist nicht Hannings Anliegen. Angebote von Modefirmen lehnte er ab.
Hanning lebt den Handball. Selbst Legende Stefan Kretzschmar, einst lautester Kritiker, hat er überzeugt: "Bob ist ein Arbeitstier, ein Großer.“ Bernhard Bauer, der DHB-Präsident, der wegen ihm ging, sieht das anders. Auch Ex-Bundestrainer Heiner Brand, der ihm eine "narzisstische Persönlichkeitsstörung“ vorwarf. Für Hanning ist nach diesem Interview Brand "auf persönlicher Ebene im August 2015 zusammen mit meiner Mutter gestorben. Ich werde nicht auf seine Beerdigung gehen“, schreibt er in seinem Buch. Hanning ist keiner, der eine Fahne für jede Windrichtung hat.
Hanning (l.) als Co-Trainer der Nationalmannschaft neben Bundestrainer Heiner Brand© IMAGO / Claus BergmannAuch in Sachen Bundestrainer. Mit Dagur Sigurdsson hatte er Erfolg, mit Christian Prokop nicht. "Ich habe Christian in ein Rennen geschickt, für das er nicht geboren war. Er war mein Bundestrainer und ich bin mit dieser Idee gescheitert.“
Berlin ist jetzt seine Heimat, die Füchse sind seine Familie. Er hat in der Hauptstadt den Handball aus dem Tiefschlaf geholt, ein Nachwuchszentrum auf die Beine gestellt, das seinesgleichen sucht. Und in dem die Jugend nicht nur Handball lernt. Die Jungs leisten Praktika bei der Müllabfuhr, lernen Benimmregeln. Und Hanning lebt seinen Traum in der Arbeit mit und für die Jugend aus. "Handball war immer mein Leben. Es kann sein, dass der Preis dafür eine Beziehung, eine Familie ist, für die ich nicht genügend kompromissbereit war. Aber ich bin glücklich.“ Zur Wahrheit gehöre, dass er vom Handball sehr gut lebt. "Dass ich ein Haus am See habe, wo ich jeden Morgen vom Steg ins Wasser springe, verdanke ich meinem Sport.“ Im Verband steht mit Jörg Föste sein Nachfolger fest. Michelmann weiß: "Einen Bob Hanning kann man nicht adäquat ersetzen.“