Dieser Artikel ist am 09. August 2018 bei Orange - dem jungen Portal des Handelsblatts - erschienen.
Wer an diesem Abend ein Paar „Yeezy 500“ haben möchte, braucht vor allem eines: Zeit. Vor dem Afew Store in Düsseldorf warten Menschen aller Altersklassen. Sie tragen Kleidung, die mit Markennamen übersät ist. Manche sehen aus, als hätte man sie aus einem Hipster-Magazin ausgeschnitten und als Pappaufsteller vor den Schuhladen gestellt.Die meisten von ihnen haben Sneakers im Wert von mehreren Tausend Euro im Schrank stehen – manche bis zu 50 Paare. Heute soll ein weiteres paar dazukommen: Der „Yeezy 500“ ist ein Schuh, den der deutsche Sportartikelhersteller Adidas gemeinsam mit US-Rapper Kanye West designt hat. Neupreis im Laden: 200 Euro. Ein Schnäppchen! Denn mit den Tretern lässt sich viel mehr Geld machen.
Auch Sebastian wartet vor dem Laden. Der 16-Jährige ist in der Menge allerdings eine Ausnahme. Er besitzt nur vier Paar Sneakers. Den „Yeezy 500“ braucht er selbst gar nicht. „Ich will die Schuhe weiterverkaufen und hoffe dann bis zu 300 Euro für sie zu bekommen“, sagt er.Sebastian ist ein Reseller. So nennt man Leute, die Sneakers kaufen, um sie für mehr Geld weiterzuverkaufen. Dass das überhaupt funktioniert, liegt daran, dass es nur eine begrenzte Anzahl der Schuhe gibt. Das nennt man eine limitierte Edition. Wenn mehr Leute eines der wenigen Paare haben wollen, steigt der Preis.
Das Prinzip ist das gleiche wie an der Börse: Wollen viele Leute eine Aktie kaufen, wird sie teurer. Wird sie dagegen nicht gefragt, sinkt ihr Wert. Sind Sneakers also die neuen Aktien? Sie sind jedenfalls eine alternative Möglichkeit, um Geld zu verdienen. Es gibt sogar eine Sneaker-Börse, in der du sehen kannst wie viel deine Treter momentan wert sind.
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Standort erkennenDie Website Stockx.com sieht aus wie die Börseninformationen, die du beispielsweise von NTV kennst. Nur dass hier statt dem Dax oder dem Dow Jones der Jordan- oder Nike-Index durchs Bild läuft. Wie hoch welcher Schuh gerade im Kurs steht, wird anhand von Angebot und Nachfrage laufend ermittelt.
Aber ist das auch legal? Wir fragen nach bei der Rechtsberatungsplattform anwalt.de – und bekommen Tina Heil ans Telefon, die Expertin für Wirtschaftsrecht ist. Sie sagt: Grundsätzlich darf man Schuhe kaufen und für mehr Geld verkaufen. Allerdings dürften Reseller nicht nach Belieben mit Sneakern handeln.
„Jeder, der etwas tut, um Gewinne zu erzielen, handelt gewerblich“, sagt die Juristin. Das bedeute, dass Reseller unter Umständen ein Gewerbe anmelden – und entsprechend Steuern zahlen müssen.
Entscheidend ist, wie oft sie Schuhe verkaufen. Ein oder zwei Paar seien kein Problem, sagt Heil. Ab wann man regelmäßig aktiv ist, sei aber schwer zu sagen. „Im Zweifel sollte man eher Vorsicht walten lassen und besser Gewerbe anmelden.“ Wer das nicht tut, gehe ein Risiko ein. Schlimmstenfalls drohten eine Anklage wegen Steuerhinterziehung und Bußgelder.
Adidas hat im Januar einen Schuh in die Läden gebracht, den das Unternehmen in Zusammenarbeit mit der Berliner Verkehrs Gesellschaft (BVG) designt hat. Der Schuh kostete ursprünglich 180 Euro. Die 500 Exemplare waren aber innerhalb weniger Minuten vergriffen. Manche Reseller haben mit den seltenen Sneakern mehr als 1000 Euro Gewinn gemacht.
Dagegen wirken die 100 Euro Gewinn, die Sebastian sich erhofft, geradezu mickrig. Grund dafür ist die höhere Auflage des „Yeezy 500“. Weil es mehr von den Schuhen gibt, sinkt der Wert für Sammler und die Reseller machen weniger Gewinn. Aber 100 Euro für ein bisschen Schlange stehen klingt ja auch nicht schlecht – allerdings muss man dafür nicht nur Geduld, sondern auch Glück haben.
Denn wer einen „Yeezy 500“ im Afew Store ergattern will, musste an einer Verlosung teilnehmen. Das bedeutet aber nicht etwa, dass man die Schuhe am Ende geschenkt bekommt. Der Laden lost aus, wer die Sneakers für 200 Euro kaufen darf. Kein Witz! Die Verlierer gehen leer aus und müssen ihr Geld behalten.
Plötzlich bewegt sich die Menge vor dem Düsseldorfer Shop. Zwei Verkäufer kommen aus dem Laden, alle anderen folgen ihnen um die Ecke. Dort ist mehr Platz für die Menschenmenge. Lilly, die sich in dem Geschäft um den Service kümmert, hält die magische Liste in der Hand. Wer jetzt aufgerufen wird, muss sich nur noch ausweisen – und darf dann einkaufen gehen.
Das Ganze erinnert ein wenig an die Serie „Der Bachelor“. Fehlt nur noch, dass die Verkäuferin sagt, dass sie heute leider keine Sneaker für Sebastian hat. Der 16-Jährige geht leer aus. Andere in der Menge dürfen sich freuen. Christian zum Beispiel, der ein Paar bekommen hat und sie auch selbst tragen will: „Ich finde sie einfach schick. Sie sind begehrt und haben style. Sie sind etwas, was nicht jeder hat“.
Afew-Verkäuferin Lily bekommt schlechte Laune, wenn man sie auf Reseller wie Sebastian anspricht: „Das geht gar nicht! Manche kommen, holen sich den Schuh ab und verkaufen den dann im Store einen Schritt weiter für einen 1000er. Das unterstützen wir absolut gar nicht, aber wir können das nicht vermeiden, nicht kontrollieren“, sagt die 26-Jährige.
Hersteller wie Nike und Adidas können gegen die Reseller nichts unternehmen – warum sollten sie auch? Denn schließlich machen die mit dem Hype indirekt Werbung für sie – und das ganz umsonst. Das Geschäft läuft übrigens blendend.
Adidas hat erst an diesem Donnerstag gute Zahlen vorgelegt. Das Unternehmen hat zwischen Januar und Ende Juni fast elf Milliarden Euro Umsatz gemacht – das sind drei Prozent mehr als im ersten Halbjahr 2017. Unter dem Strich blieben mehr als 900 Millionen Euro Gewinn. 60 Prozent seiner Einnahmen erzielt Adidas nur mit Schuhen.
Sebastian bleibt trotz des Lospechs in Düsseldorf entspannt: „Es ist Glücksache, wer die Schuhe im Endeffekt bekommt und dann kann man damit ja machen was man will“, sagt er. Dass er heute keine Sneaker kaufen konnte, findet er schade, aber auch nicht weiter schlimm. Er will einfach auf das nächste limitierte Paar warten, das er weiterverkaufen kann.
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