„Aus der Krise raus mit voller Kraft“. Das will die Bundesregierung und so verkündete es jüngst Olaf Scholz (SPD). Bereits Mitte März hatte der Bundesfinanzminister verbal sogar zur Bazooka (d.i. eine Art Panzerbüchse) gegriffen, um die deutsche Wirtschaft vor größeren Corona-Schäden zu beschützen. Als Waffengefährte zur Seite stand ihm damals der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU). „Was wir dann noch an Kleinwaffen brauchen, das gucken wir später.“
Diesen markigen Worten folgte Anfang Juni das wohl einer Comic-Sprechblase entlehnte „Wumms!“ von Olaf Scholz. Mit einem solchen wolle man nun aber ganz bestimmt aus der Krise kommen. Dass sich Politiker so schlichter Formulierungen bedienen, könnte Rückschlüsse darauf zulassen, für wie wenig intelligent sie ihre Wähler halten. Solch ein „Wumms!“ passt bestens in ganz großen Lettern auf die Titelseite von BILD und Co.
Trotzdem sei hier lieber William Shakespeare (aus „Richard III.“) zitiert: „Wer Worte macht, tut wenig. … Die Hände brauchen wir und nicht die Zungen.“ Oder es braucht Geld, viel Geld. Solches nimmt die Regierung jetzt auch in die Hand. Das Kabinett hat dieser Tage ein Konjunkturpaket mit 130 Milliarden Euro beschlossen. Da kann man nicht meckern. Oder doch?
Die politische Opposition tut es. Das ist auch ihr zu oft vernachlässigter Job. Da gibt es vor allem Zweifel, ob das Geld wirklich dort ankommt, wo es am meisten gebraucht wird. Es sei „sozial fragwürdig“, so Dietmar Bartsch (Die Linke) und „ökonomisch widersinnig“. Für Stefan Brandner (AfD) ist das alles „ein stümperhafter Versuch, die Bürger in Deutschland irgendwie zu beruhigen“. Anton Hofreiter (von den Grünen) bemüht das bekannte Bild von der Gießkanne, mit dem die Steuergelder ausgeschüttet werden.
Diskutiert wird vor allem die Senkung der Mehrwertsteuer: von 19 auf 16 Prozent bei Waren und Dienstleistungen, von 7 auf 5 Prozent bei Lebensmitteln. Kritiker meinen, der Aufwand (für den Handel) sei zu groß, der Nutzen (für die einkaufenden Kunden) zu gering. Außerdem sei die Regierung mit der Einschränkung „nur bis Ende 2020“ einfach zu kurz gesprungen. Zu kurz, um den Konsum nachhaltig zu beleben.
Das gegenseitige Schulterklopfen der regierenden Koalition in Berlin bei dieser Ankündigung – verstärkt durch anfangs wie gewohnt unkritische Medien – war jedenfalls unüberhörbar. Demnach werde es am 1. Juli 2020 „die größte Steuersenkung der letzten Jahrzehnte“ geben.
Anfang 2007 sprach keiner von „der größten Steuererhöhung der letzten Jahrzehnte“. Damals wurde die Mehrwertsteuer von 16 gleich auf 19 Prozent angehoben! Noch im Wahlkampf 2005 tönte die SPD: „Merkelsteuer, das wird teuer!“. Die CDU hatte 18 Prozent ins Gespräch gebracht. In der Koalition mit den sich zuvor darüber mokierenden Sozialdemokraten wurden es sogar 19 Prozent.
Werden nun die Kunden das halbe Jahr nutzen und den angebotenen Preisvorteil wahrnehmen? Vielleicht tun sie das. In welchem Umfang, bleibt jedoch abzuwarten. Als im Monat Mai nach der zwangsweisen Schließung der Geschäfte (außer den Kaufhallen, Apotheken usw.) diese drastische Anti-Corona-Maßnahme gelockert wurde, blieb der erhoffte Ansturm nämlich aus oder war nur kurzlebig. Dabei blieb es bis heute.
Laut Experten ist es die unsägliche Maskenpflicht, die die Konsumlaune verdirbt. Als würden Zugangsregelung und Abstandsgebot bei der inzwischen stark abgeschwächten Pandemie nicht ausreichen. „Die Maske hat einen psychologischen Effekt und macht Einkaufen zu einem Negativerlebnis“, so Kai Hudetz, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung (IfH) aus Köln (WELT vom 3. Juni). Man fühle sich „wie im Krankenhaus und nicht auf einer Shopping-Tour, die Spaß machen soll“. Seiner Meinung nach könne die Maskenpflicht dem stationären Einzelhandel massiv Umsatz kosten.
Man möchte ergänzen: Zumal es Sommer wird und also wärmer. Unter vielen der sogenannten Alltagsmasken schwitzt man schon jetzt. Deshalb werden sie meist nur pro forma und nachlässig unter der Nase getragen. Womit sie nicht mehr sind als ein unnützes Corona-Beiwerk. Und Österreich macht es doch vor: Seit dem 15. Juni gibt es dort die Maskenpflicht nur noch in Ausnahmefällen und z.B. nicht mehr beim Einkauf.
Ob an den akuten Problemen des Handels ein geringerer Mehrwertsteuersatz etwas ändert? Was diesem (wie auch anderen Branchen) jetzt schon zusetzt, sind die teils beträchtlichen Kosten, die durch diese Umstellung entstehen. Was eher verschmerzt werden könnte, wenn es nicht nur eine zeitlich begrenzte Maßnahme wäre.
Wer das alles kritiklos einfach nurtoll finden möchte, weil es ja von der Regierung so beschlossen wurde, informiere sich bitte in dem hier verlinkten WELT-Artikel „Für die Wirtschaft kaum zu schaffen – Mehrwertsteuer-Chaos droht“. Übrigens weiß keiner, ob die mögliche Einsparung überhaupt bei den Verbrauchern ankommt. Das wird bei den beflissenen Lobpreisungen gern unterschlagen.
Zudem macht sich lediglich bei teuren Anschaffungen die verringerte Mehrwertsteuer bezahlt. Wer aber kann sich in den sogenannten Corona-Zeiten überhaupt größere Ausgaben leisten? In Deutschland waren im Mai 2,8 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet und 7,3 Millionen in Kurzarbeit. Laut dem Sender n-tv sind mehr als zwei Millionen Deutsche durch finanzielle Verluste sogar in ihrer Existenz bedroht. Selbst wenn die Lage nicht überall so dramatisch ist, dürften für viele finanziell keine großen Sprünge drin sein. Deshalb überrascht das Fazit einer repräsentativen Civey-Umfrage (laut dpa) nicht: Nur jeder Fünfte plant Mehrausgaben!
Dringend notwendige Lockerungen jener staatlicherseits erlassenen Corona-Restriktionen, die derzeit noch das gedeihliche Miteinander komplizieren, lassen trotzdem auf sich warten. Es ist so, als wolle jemand ausprobieren, wie weit sich diese Bevormundung bis hin zur Entmündigung ausreizen lässt. „Nachtigall, ick hör‘ dir trapsen!“, sagt dazu der Volksmund und meint damit die kritisch beäugte Einführung einer Corona-App und die nicht weniger umstrittene Covid-19-Impfung.
Deshalb sind die folgenden Worte von Theodor Herzl (1860 – 1904) eigentlich gar kein Trost mehr: „Nichts ist so schlimm, wie wir fürchten, nichts so gut, wie wir hoffen.“
Hans-Georg Prause