Er ist einer der letzten seines Fachs: Lukas Züblin, gelernter Schuhmacher und Inhaber der Schusterei an der Kapellstrasse in Oberuzwil. Konsum- und Wegwerfgesellschaft hin oder her: Der 34-Jährige ist überzeugt, dass es weiterhin Leute gibt, denen Qualität und Nachhaltigkeit wichtig sind. Sein Erfolg lässt hoffen.
Andrea HäuslerDruckenTeilenDer Beruf des Schuhmachers hat eine lange Tradition, ist über 7000 Jahre alt. Doch die Wertschätzung für das Handwerk ist in der heutigen Zeit weitgehend verloren gegangen. Das weiss auch Lukas Züblin, der vor sechs Jahren, gerade einmal 28-jährig, die Werkstatt von Arnold Chiavi an der Kapellstrasse 3 in Oberuzwil übernommen hatte. Bereut hat er weder die Wahl seines Zweitberufs noch den Schritt in die Selbstständigkeit. «Ich wollte mit meinen Händen arbeiten und mein eigener Chef sein», sagt er. Natürlich sei es nicht einfach, gebe es bessere und wieder schlechtere Zeiten. Gleichwohl habe er die Freude an der Arbeit, am Handwerk, aber auch die Zuversicht nie verloren, dass das Qualitätsbewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten wieder steigen wird.
Lukas Züblin steht hinter der Schleifmaschine im hinteren Teil der kleinen Schusterei, die Werkstatt und Geschäft zugleich ist. Auf dem neu gestalteten Tresen steht eine alte Registrierkasse mit Kurbel. Nostalgisch anmutend, so wie die Gerätschaften im hinteren Teil, die allesamt schon Jahrzehnte ihren Dienst versehen haben und dies nach wie vor zuverlässig tun. Es ist Freitag. Der Abholtag, wie Züblin sagt, während er einem neu besohlten Wanderschuh den letzten Schliff gibt. Noch einmal prüft er seine Arbeit, die Qualität der Verleimungen. «Wie neu, nur besser», stellt er zufrieden fest und schiebt die Schuhe zwischen all die Berg-, Trekking- und Sportschuhe, die auf dem Regal neben der Tür auf ihre Besitzer und die nächsten Outdoor-Einsätze warten.
Es sind in erster Linie wertige Schuhe mit einem hohen Beschaffungspreis, die in der Schusterei hinter der Katharina-Kapelle repariert werden. Kein Wunder. Die Arbeit hat ihren Preis. Und den zu zahlen, sind zunehmend weniger Leute bereit. Aber nicht nur dies schränkt den Kundenkreis ein. «Ich nehme auch nicht alles an», macht Lukas Züblin klar. Schuhe aus dem Niedrigpreissegment, sogenannte «Fast Fashion»-Produkte, versuche er gar nicht erst zu reparieren. Obwohl er selbst zu jener Generation gehört, die das Zielpublikum der industriellen Billigproduktion abbildet, tut er sich schwer mit der heutigen Wegwerfmentalität. «Vielleicht», lacht er, «passe ich ganz einfach nicht in diese Zeit.»
Wer den traditionellen Schuhmacher-Beruf erlernen möchte, hat es schwer, überhaupt einen Ausbildungsplatz zu finden. Zumindest auf dem offiziellen Informationsportal der Berufs-, Studien- und Laufbahnberatung berufsberatung.ch ist weder im Kanton St.Gallen noch im Thurgau oder im Appenzellerland eine Lehrstelle ausgeschrieben. Den einzigen Ausbildungsplatz in diese Berufsrichtung bietetSpiess und Kühne in St.Gallen an. Allerdings zum Orthopädieschuhmacher/in EFZ. Diese reparieren keine Absätze oder geplatzte Ledernähte, fertigen auch keine konventionellen Massschuhe an, sondern stellen orthopädische Mass- und Serienschuhe, Einlagen und Fussstützen her. Schweizweit bilden vier Betriebe in diesem Beruf aus: in den Kantonen Fribourg, Bern und Solothurn. Nur gerade eine Lehrstelle gibt es für konventionelle Schuhmacher: im freiburgischen Bulle.
Dennoch gibt es sie nach wie vor, die Kundinnen und Kunden, die qualitative Ware kaufen, diese pflegen und nachhaltig nutzen wollen. Leute wie der Mann, der kurz vor Mittag seine Trainingsschuhe abholt und sagt: «Gut, dass es noch Leute wie Sie gibt.» Solche Feedbacks erhält Lukas Züblin öfter. Und sie treiben ihn an.
Ein grosser Teil der Klientel seines Vorgängers ist geblieben und er hat den Kundenstamm gar erweitern können. Aktuell spüre er, dass Klemenz Mosberger seinen gleichnamigen Schustereibetrieb in Flawil Ende vergangenen Jahres altershalber aufgegeben hatte: «Noch nie zuvor hatte ich im Januar so viel Arbeit wie dieses Jahr.»
Drei Tage pro Woche arbeitet Lukas Züblin in seiner Schuhmacherei, flickt Schuhe, repariert Reissverschlüsse oder Handtaschen und schleift auf Wunsch Scheren oder Messer. Die übrige Zeit widmet er sich anderen handwerklichen oder vielmehr kunsthandwerklichen Tätigkeiten. «Das Goldschmiedehandwerk fasziniert mich gerade sehr», sagt er. Wie das Leder seien auch Edelmetalle oder Steine wertbeständige Materialien, die in Kombination eine enorme Gestaltungsvielfalt ermöglichten. Er macht keinen Hehl daraus, dass ihm das Kreative im Beruf zuweilen fehlt, sagt:
Die Fertigung von Schuhen auf Mass ist nur ein Beispiel. Eine Nische, in der man sich in Konkurrenz zum Ausland nicht behaupten könne.
In einer Vitrine im Eingangsbereich sind verschiedene Gürtel ausgestellt. Schliche und gerade deshalb exklusive Unikate mit farbigem Steppnähten. Naturprodukte, die durchs Tragen immer schöner würden, wie Lukas Züblin sagt. Seit einigen Jahren fertigt er diese – und verkauft sie erfolgreich. Es geht aber noch exklusiver. Etwas verborgen auf einer Holzablage liegt ein Gürtel, der mit geometrischen Formen aus unterschiedlichen Lederarten und -sorten besticht. Eine Massanfertigung, geschaffen in höchster Präzision. Zig Stunden hatte Lukas Züblin dafür aufgewendet. Der Preis? Züblin schweigt. Er macht aber kein Geheimnis darauf, wie wichtig für ihn das Künstlerisch-kreative ist, und er sagt: «Vielleicht geht er ja in Erfüllung, der Traum vom eigenen Atelier – irgendwann.»