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Die Schweiz ist ein dicker Fisch im grossen Ost-West-Game

Die Schweiz ist ein dicker Fisch im grossen Ost-West-Game

Die Schweiz ist ein dicker Fisch im grossen Ost-West-Game

Wenn die USA mit Russland über die Köpfe der EU-Kommission hinweg über die Zukunft der Ukraine verhandeln, spielt die Schweiz eine nicht unwesentliche Rolle.

Die Ukraine, wie der Kosovo auch, ist ein aussenpolitisches Schwerpunktland der Schweiz. Am 4./5. Juli ist in Lugano eine offizielle Ukraine Reform-Konferenz angesetzt, wo mit Hilfe Schweizer Diplomaten die Zukunft des Landes festgelegt werden soll.

Wer sich ob dieser Informationen die Augen reibt und fragt, was wir in der ukrainischen Hauptstadt Kiew, in der West- wie der Ostukraine treiben, wird noch erstaunter feststellen, dass wir seit 1999 die Regierung in Kiew für drei Jahre mit 109 Millionen Franken unterstützen.

Dieser Betrag ist nicht Teil der EU-Kohäsions-„Milliarde“, die wir jetzt zum zweiten Mal bezahlen. Es handelt sich in Wirklichkeit um 1,3 Milliarden, die in die EU und dort nach Osten fliessen.

Aber was sind schon 300 Millionen Franken in einer Zeit, wo nur Milliarden zählen?

Die Ukraine erhält einen zusätzlichen Millionenbetrag, „um dort grundlegende gesellschaftspolitische und wirtschaftliche Reformen zu unterstützen“.

Jetzt, wo nicht wenige meinen, Russland werde in den nächsten Tagen, spätestens Wochen, aber auf jeden Fall vor Ostern, in der Ukraine einmarschieren, will die Schweiz mit diesem gut 100 Millionen-Budget „Prozesse zur Förderung der demokratischen Institutionen unterstützen“.

Sie hat im Rahmen dieses in der Schweiz fast unbekannten Programms bereits Einfluss auf die ukrainische Gesetzgebung genommen, um dort die Einführung eines Referendums à la Suisse in die Wege zu leiten.

Einiges Geld ist auch an die Landwirte im Osten geflossen, anderes in moderne Lüftungssysteme. Vertrauensleute in der Ukraine meinen, nicht weniges davon sei in den Taschen der allmächtigen ukrainischen Potentaten gewandert.

Mehrfach geäussert hat sich die Baselbieter Ex-CVP- und heutige Mitte-Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter, Mitglied der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrats.

Sie forderte den Bundesrat auf, die Schweizer Botschaften und Missionen in Osteuropa nicht zu schliessen, „denn dieses würde nur Russland dienen“. Und sie machte klar, dass die Leistungen der Schweiz an die Ukraine „nach europäisch-amerikanischen Standards“ erbracht werden.

Um die Schweizer Zahlen in Perspektive zu setzen: Die EU hat bisher 410 Milliarden Euro für Hilfeleistungen in Staaten Osteuropas gesprochen, davon 15 Milliarden für die Ukraine, die man damit auf einen Beitritt in die EU vorbereiten wollte.

Nun legt sich Wladimir Putin, der russische Präsident, quer. Er will eine schriftliche Bestätigung der USA, dass weder die Vereinigten Staaten noch die NATO irgendeinen Versuch machen, die Ukraine in die westlichen Bündnisse einzubeziehen.

US-Präsident Joe Biden, innenpolitisch in der Defensive, sieht schon die roten Horden in Kiew einziehen. Die westeuropäischen Leitmedien, darunter auch die schweizerischen, zeichnen das Bild des raubgierigen Wladimir in ihren Journalen.

Die Schweiz ist ein dicker Fisch im grossen Ost-West-Game

Stimmt das alles, oder unterliegen wir einer einseitigen Stimmungsmache?

Der normale Bewohner unseres Landes hat wenig Chancen, dem Meinungsdruck von NZZ, Tages-Anzeiger, CH Media, NZZ und SRG zu entgehen.

Was dort geschrieben und gesendet wird, dominiert die öffentliche Meinung. Kleinere Medien leisten sich noch die SDA (Schweizerische Depeschenagentur), die sich nicht durch Meinungsstärke auszeichnet.

Der normale Bewohner unseres Landes liest ein bis zwei Tageszeitungen, eine Sonntagszeitung, vielleicht noch eine Wochenzeitung.

Wer politisch initiativer ist, orientiert sich an TV France I und II oder an ARD, ZDF oder ARTE. Feinschmecker schalten auf DLF, den Radiosender Deutschlandfunk.

„Der Spiegel“, „Die Zeit“, das „Handelsblatt“ sind viel zu teuer, um von mehr als wenigen tausend Schweizern abonniert zu werden.

Ohne „Wall Street Journal“, „The New York Times“ und die „Financial Times“ lebt man aussenpolitisch im Halbdunkel. Spezialmagazine wie „The Atlantic“ und „Foreign Affairs“ klammere ich jetzt einmal aus.

„Republik“, Nebelspalter,Infosperber und Inside Paradeplatz sind oft besser informiert und gewinnen daher Abonnenten.

Dazu kommt der Zeitfaktor. Wann soll man das alles lesen?

So kommt es, dass niemand versteht, weshalb Nordstream 2 als Gaslieferant für Westeuropa wirklich wichtig, ja entscheidend ist. So kommt es, dass niemand versteht, dass Wladimir Putin eine eigene Sicherheitszone will.

Er erinnert sich: Russland wurde in den letzten 200 Jahren von Napoléon I. überfallen, dann vom japanischen Kaiser und von Adolf Hitler. Auch der deutsche Kaiser Wilhelm II. hatte das Riesenreich im Osten angegriffen.

Es verlor den Kalten Krieg, als Boris Jelzin und Michail Gorbatschow die Waffen streckten. Jetzt will Putin nicht das neue Opfer des „Freien Westens“ werden.

Nicht er ist der Aggressor, denn NATO und EU sind immer weiter nach Osteuropa vorgerückt. Die Schweiz hat tapfer dabei mitgemacht.

So wenig wie es den USA gelang, was das Team Nixon-Kissinger eigentlich vorhatte, China zu verwestlichen, so wenig soll es westlichem Kapital gelingen, Russland unter die Kontrolle des US-Dollars zu bringen.

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