#

Stark-Watzingers irritierender Auftritt bei „Bild-TV“: Hat die Bundesregierung für die Schulen irgendeinen Plan?

Stark-Watzingers irritierender Auftritt bei „Bild-TV“: Hat die Bundesregierung für die Schulen irgendeinen Plan?

Stark-Watzingers irritierender Auftritt bei „Bild-TV“: Hat die Bundesregierung für die Schulen irgendeinen Plan?

BERLIN. Die Inzidenzen unter Kindern und Jugendlichen schießen in die Tausende, an den Schulen herrscht Test-Chaos und ein wildes Quarantäne-Durcheinander, Lehrkräfte infizieren sich massenhaft, Eltern sind massiv in Sorge, mangels Luftfiltern muss in Klassenräumen selbst bei Minustemperaturen dauergelüftet werden. Kurzum: Vielerorts ist an Unterricht kaum mehr zu denken. Der Corona-Expertenrat der Bundesregierung mahnt in dieser Situation von der Politik eine bessere Kommunikation über die Ziele ihrer Maßnahmen an. Und was macht die Bundesbildungsministerin? Sie tritt in „Bild-TV“ auf – und lässt nicht erkennen, welchen Plan die Bundesregierung bei den Schulen verfolgt. Gibt es überhaupt einen? Wir dokumentieren das Interview im Wortlaut.

„Bild“-Vize-Chefredakteur Paul Ronzheimer: Sie sind selbst Mutter zweier Söhne. Wie haben Sie in den vergangenen Jahren, muss man ja mittlerweile sagen, die Pandemiepolitik erlebt?

Bettina Stark-Watzinger: Guten Morgen Herr Ronzheimer, ich bin Mutter von zwei Töchtern.

„Bild“: Oh.

Stark-Watzinger: Finde ich auch toll, dass ich zwei Töchter habe. Meine Töchter sind 23 und 25, ich hab’s eher im studierenden Bereich gesehen, weil durch das Schließen der Schulen und Hochschulen sehr viel Bildungsausfall eingetreten ist. Aber es gibt auch psychosoziale Probleme. Beides sind wichtige Lebensphasen von jungen Menschen, die brauchen Freunde, die brauchen ein Umfeld, die müssen sich entwickeln, die müssen was ausprobieren und das hat gefehlt und das müssen wir möglich machen und deshalb müssen Schulen und Hochschulen offenbleiben.

„Bild“: Was sagen Ihnen Ihre Töchter? Dass da wieder Präsenz möglich sein soll?

Stark-Watzinger: Wir dürfen die Krise nicht nur mit dem Tag heute planen, deshalb müssen wir darüber nachdenken, wie wir wieder aus den Corona-Einschränkungen herauskommen. Aber sicher ist, dass wir jetzt erstmal die Schulen offenhalten müssen. Dafür muss alles getan werden. Vor allem müssen wir mit den Hygienemaßnahmen, aber auch mit dem Impfen, das wir in die Schulen bringen müssen, dafür sorgen, dass dort ein hoher Schutz da ist. Bei den Hochschulen, die fallen ja häufig durchs Raster, weil man denkt, das sind ja erwachsene Menschen – das sind ja auch erwachsene Menschen -, aber eben noch in einer wichtigen Lebensphase, und hier muss man sagen, dass die Belastung hoch ist, das sehen wir an der Nachfrage nach psychosozialer Beratung.

Über die Präsenzpflicht: „Wir haben ja auch gesehen, dass die KMK ganz klar gesagt hat, Präsenzpflicht ist eben auch Bildungsgerechtigkeit“

„Bild“: Selbst mit der Präsenzpflicht klappt es ja noch nicht in Deutschland. Zum Beispiel in Berlin wird das wieder diskutiert. Warum können in anderen Ländern alle Regeln fallen, in Großbritannien machen selbst die Clubs wieder auf. Wir kriegen’s nicht mal in den Schulen vernünftig hin.

Stark-Watzinger: Ja, mich hat das überrascht, was in Par…, äh, Berlin passiert ist, da wir ja auch gesehen haben, dass die KMK ganz klar gesagt hat, Präsenzpflicht ist eben auch Bildungsgerechtigkeit und vor allem die Art, wie kommuniziert wurde, ist natürlich für Schulen, für Eltern ganz schwierig, das kurzfristig umzusetzen. (Hintergrund, d. Red: Das Land Berlin hat die Präsenzpflicht in Schulen angesichts einer Kinder-Inzidenz von aktuell 4.255 ausgesetzt. Seitdem können Eltern ihre Kinder zu Hause behalten, dort haben sie aber keinen Anspruch auf Distanzunterricht).

Wir haben bei uns im Land eine Situation, die etwas anders gelagert ist. Wir haben eine ältere Gesellschaft, und in dem Teil der Menschen über 50, über 60 ist auch die Impfquote noch nicht so hoch wie in anderen Ländern, das macht es etwas schwieriger. Aber wir haben uns ja als Bundesregierung das klare Ziel gesetzt: kein Lockdown, sondern mit differenzierten Maßnahmen so viel gesellschaftliches Leben wie möglich.

„Bild“: Nochmal, warum geht in Großbritannien so viel, aber bei uns – selbst in den Schulen – so wenig, wo ja auch Maskenpflicht weitergeht? In vielen Zuschriften, die wir bei Bild bekommen, beklagen sich Eltern, die sagen, die Kinder so viele Stunden mit Masken, das geht nicht mehr. Wie sehen Sie das?

Stark-Watzinger: Ich kann das gut verstehen, das ist eine hohe Belastung, gerade für die Kinder. Das macht was mit der Kommunikation. Aber es ist immer noch besser, als keine Schule zu haben, als keinen Unterricht zu haben. Großbritannien ist etwas vor uns in der Omikron-Welle, deshalb sind wir ein Stück weit hinterher – und trotzdem heute schon an das Morgen denken und die Vorbereitungen treffen: Wie gehen wir raus? Was sind die ersten Schritte, die man treffen muss, um die Maßnahmen abzubauen?

Über die Maskenpflicht: „Das ist noch das Niedrigschwelligste, um Schutz zu haben, weil eben dort die Möglichkeit des Miteinanders besteht“

„Bild“: Wann wäre das? Wann erleben wir unser Großbritannien?

Stark-Watzinger: (Wiederholt) Wann erleben wir unser Großbritannien? Wenn ich das wüsste, würde ich mich sehr freuen. Weil wir dann alle auf einen bestimmten Tag hinleben könnten. Aber wir sehen ja, es wird erwartet, dass wir Mitte Februar den Höchstpunkt haben von Omikron und dass danach die Inzidenzen dann wieder steigen (gemeint ist offenbar: sinken, d. Red.), Hospitalisierungsrate und Intensivbetten sind ja zum Glück nicht nachgelaufen in dem Maße. Insofern denke ich, dass wir in der zweiten Februarhälfte dann wirklich überlegen können, wie wir’s machen.

„Bild“: Wann fällt die Maskenpflicht?

Stark-Watzinger: Herr Ronzheimer, da würde ich keine Wette drauf abschließen, weil ich finde, das ist noch das Niedrigschwelligste, um Schutz zu haben, weil eben dort die Möglichkeit des Miteinanders besteht, aber trotzdem ein Gesundheitsschutz.

„Bild“: Die Kanzlerin hat in der Pandemie immer wieder persönlich dafür gesorgt, dass Schulen geschlossen wurden in den Ministerpräsidentenkonferenzen. Warum war das so, glauben Sie, und wie sehr hat diese Politik den Kindern geschadet?

Stark-Watzinger: Zu Beginn der Corona-Pandemie hat man sehr stark auf den Gesundheitsschutz Wert gelegt, man hat die Nebenwirkungen, die schlimmen Nebenwirkungen noch nicht in dem Maße im Blick gehabt. Deswegen ist es gut und wichtig, dass wir als Bundesregierung den Kindern jetzt auch eine Stimme geben. Ich weiß, das ist nicht einfach. Viele Eltern sind auch in Sorge, das kann ich gut verstehen, aber die Bildungsgerechtigkeit und vor allem das, was an psychosozialen Schäden entsteht, ist dann doch so tiefgreifend, dass Präsenzpflicht mit Schutzmaßnahmen, mit dem Impfangebot die bessere Alternative ist.

„Bild“: Man hat manchmal das Gefühl, Deutschland ist ein kinderfeindliches Land. Andere Länder machen früher auf und kümmern sich mehr um diese Folgen. Ist das so, haben Sie auch das Gefühl?

Stark-Watzinger: Also, in dieser Bundesregierung ist es ganz gewiss nicht so. Wir haben alles getan auch im Sinne des Infektionsschutzgesetzes, dass keine flächendeckenden Schulschließungen mehr stattfinden und haben auch mit den Hygienemaßnahmen alles dafür getan, dass vor allem auch Kinder den Respekt bekommen, den sie brauchen. (Hintergrund, d. Red.: Das seit November geltende Infektionsschutzgesetz der Ampel-Koalition verbietet den Bundesländern ausdrücklich Schulschließungen in der Fläche.)

„Bild“: Wenn Sie von Respekt sprechen, ist es wichtig, dass man als Politikerin auch selbst diese Erfahrung hat, dass man Kinder hat, kann man Politik für Kinder besser machen, wenn man eben nicht kinderlos ist?

Stark-Watzinger: Das ist eine interessante Frage. Es hilft natürlich. Aber wir als Politiker sind natürlich im Austausch mit den Menschen, sind ja nicht nur Politiker für eine Partei, wenn man in Regierung ist, sondern man ist ja für die Bevölkerung, für die Menschen da, und insofernsind wir ja auch im Austausch. Es ist natürlich gut, wenn man die Chance hat, das direkt mitzubekommen, aber man kann auch durch die (wackelt bei dem Wort hin und her) „Kommunikation“ vor Ort erfahren, wie die Situation ist.

Über Long Covid bei Kindern: „Mit guten Therapien und der frühen Aufmerksamkeit für das Thema können wir auch da Gegenmittel schaffen“

„Bild“: Gesundheitsminister Karl Lauterbach warnt immer wieder davor, dass es ‘ne Durchseuchung eben nicht geben darf und spricht von möglichen Long Covid Folgen. Da hat man das Gefühl, erst blieben die Schulen dicht, dann hat man gesagt, nein, man kann nicht öffnen und jetzt will man uns wieder erzählen, das ist ganz gefährlich, da könnte Long Covid kommen. Was macht das mit Ihnen?

Stark-Watzinger: (Hat mitfühlend ab dem Wort „Gefühl“ genickt.) Ich bin ja nicht nur Bundesbildungsministerin, sondern Bildung und Forschung, und wir haben sehr früh auch im Ministerium zu Corona geforscht, haben ja auch die Impfstoff-Herstellung und Entwicklung befördert, jetzt auch die Medikamente, die Therapien gegen Covid, und wir haben auch jetzt eine Studie, ein Forschungsprojekt zum Thema Long Covid aufgelegt, das ist etwas womit wir arbeiten müssen, wir sehen ja die Zahlen jetzt aus anderen Ländern, erste … äh … Indikationen, welche Altersgruppen, welche Vorbelastungen zu Long Covid führen, das ist eine Frage, der sollten wir uns offensiv stellen, denn darüber werden wir in Zukunft noch sprechen müssen. Aber ich bin guten Mutes. Mit guten Therapien und der frühen Aufmerksamkeit für das Thema können wir auch da Gegenmittel schaffen. News4teachers

Hier geht es zum Interview mit Bettina Stark-Watzinger in „Bild“-TV.

Anzeige
Teilen: