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Olaf Scholz: Pullover und Jeans im Regierungsflieger - Merkel im Vergleich

Olaf Scholz: Pullover und Jeans im Regierungsflieger - Merkel im Vergleich

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Liebe Leserin, lieber Leser,

als der Kanzler in dieser Woche zu seinem Antrittsbesuch nach Washington flog, ließ er sich in der Kabine in Pullover und Jeans fotografieren. Scholz’ Outfit sah sehr nach Wochenende aus, jedenfalls nicht nach Oval Office. Die Fotos des Kanzlers machten flugs die Runde in den sozialen Netzwerken. Die Meinungen darüber waren geteilt, es gab viele Witzchen, Zuspruch, vereinzelt Empörung – die übliche bunte Twitter-Mischung.

Ungewöhnlich war übrigens nicht die legere Kleidung an Bord des Regierungsfliegers. Das hat Tradition und ist ja auch sinnvoll. Würden die Regierungsmitglieder ihre Jacketts nicht bei Langstreckenflügen an einen Bügel hängen, kämen sie wohl reichlich zerknittert auf dem roten Teppich des Gastlandes an. Das wiederum wäre dann auch Stoff für Aufregung im Netz. Merkel trug bei diesen langen Flügen stets eine Strickjacke. In Jeans habe ich sie allerdings nie gesehen. Und fotografieren durfte man sie auch nicht mit dem Jäckchen, das – typisch Merkel – praktisch, aber keinesfalls ein Hingucker war.

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Wir Journalistinnen und Journalisten sowie die Entourage und die Security der Regierungsmitglieder halten es übrigens genauso. Im Flieger befreien wir uns von unseren Jacketts, tragen ebenfalls Pulli oder Strickjacke. Schuhe ausziehen ist auf langer Strecke auch erlaubt. Vor der Landung wird dann das Business­outfit wieder aus den Gepäckfächern gezogen.

Zurück zu Scholz: Dass der Kanzler schon vor seiner Landung in Washington nur mit seinem Pulli so viele Schlagzeilen produzierte, lag auch an dem Modell, das er trug. Es war mindestens eine Nummer zu groß, was dann eben nicht nach bequemer praktischer Reisekleidung, sondern nach Schlabberlook aussah.

Da ist dann schon die Frage erlaubt: Ist es hilfreich, wenn für den Kanzler überhaupt irgendetwas als eine Nummer zu groß erscheint? Muss er selbst wissen. Jedenfalls betrat er den roten Teppich zur Ankunft in Washington mit einem gut sitzenden dunklen Anzug. Kleidungsmäßig also ein Happy End.

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Dass die Fotos von Scholz überhaupt entstanden sind, hat mit leicht geänderten Gepflogenheiten bei Reisen des neuen Kanzlers im Vergleich zu Merkel zu tun. Hintergrundgespräche auf Flügen mit Merkel fanden grundsätzlich in einem kleinen Besprechungsraum im Regierungsflieger statt. Wir haben uns dort immer ein bisschen stapeln müssen. Man saß zu viert auf einer Dreierreihe und auf dem kleinen Tischchen zwischen den Sitzen. Zwei, drei Kollegen mussten meistens stehen.

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Auch Merkel selbst nahm in Kauf, dass sie auf Tuchfühlung mit uns saß. In diesem kleinen Raum galt als ungeschriebenes Gesetz, dass das Fotografieren und überhaupt die Nutzung von Handys nicht erlaubt waren. Block und Stift mussten reichen. In Corona-Zeiten hat Merkel – von wenigen Ausnahmen abgesehen – keine Journalistinnen und Journalisten mehr mitgenommen. Nur der Vollständigkeit halber sei an dieser Stelle abermals erwähnt, dass die Verlage und Sender für die Flüge zahlen – sie gehen nicht auf Steuerzahlerkosten.

Scholz lässt deutlich mehr Journalistinnen und Journalisten mitreisen, was erfreulich ist, weil es die Pressevielfalt befördert. Allerdings ist der Besprechungsraum für so viele Leute wirklich zu klein. Also kommt der Kanzler mit Mikro nach hinten in den Flieger, um die Medien zu briefen. Anders als Merkel, die das Mikro immer für Fragen herumgereicht hat, hält Scholz allein daran fest.

Auch inhaltlich gibt es Unterschiede: Merkel hat zwar auch nie Staatsgeheimnisse ausgeplaudert, aber nach den Gesprächen mit ihr war man immer klüger. Sie blätterte meistens eine weltpolitische Analyse auf. Man wusste dann im wahrsten Sinne des Wortes, wo die Reise hingeht.

Nun muss ich einräumen, dass ich erst in der zweiten Hälfte von Merkels Regierungszeit begonnen habe, sie zu begleiten. Die Fähigkeit, in den Analysen derart aus dem Vollen zu schöpfen, wird am Anfang ihrer Amtszeit auch nicht so ausgeprägt gewesen sein. Scholz möchte ich also sehr gern noch ein bisschen Schonfrist geben, bevor ich meckere, dass er weder bei laufenden Kameras noch im Hintergrund Fragen wirklich beantwortet. Luft nach oben gibt es auf jeden Fall.

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Politsprech

Pubertierende Jungs können laut und lästig sein – genau dieses Image möchte SPD-Chef Lars Klingbeil zu CDU-Chef Friedrich Merz und Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) erzeugen: Wir in der Regierung sind seriös, die größte Opposition im Bundestag hingegen ist jedenfalls nicht vom Verstand gesteuert.

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Ein bisschen kann man Klingbeils Ärger nachvollziehen. Dass Söder im Bundesrat für die einrichtungsbezogene Impfpflicht gestimmt hat und sie dann selbst torpediert, lässt sich mit vernünftigen Argumenten nicht erklären. Andererseits steht die Regierung in der Corona-Politik nicht wegen des rüpelhaften Verhaltens der Opposition schlecht da. Das Hauptproblem der Ampel ist, dass sie keine einheitliche Linie und damit beispielsweise auch keine eigene Mehrheit für eine allgemeine Impfpflicht hat.

Wie Demoskopen auf die Lage schauen

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Für Union und SPD hält die aktuelle Forsa-Analyse keine guten Nachrichten bereit: Die Wählerschaft hat sich so verändert, dass beide Parteien ihren Status als Volkspartei nicht werden zurückerlangen können. Während die Stammwählerinnen und ‑wähler der einstigen Volksparteien hochaltrig sind und nach und nach versterben, entscheiden sich die Jüngeren immer weniger für SPD und Union. Bei den jungen Frauen haben die Grünen die Nase vorn, bei den jungen Männern die FDP. Im Osten ist bei den 25- bis 59-jährigen Männern die AfD Mehrheitspartei.

Bezogen auf die Gesamtbevölkerung bleiben derzeit Union und SPD die stärksten Parteien, allerdings nun wieder unter anderen Vorzeichen, wie ein Blick auf die Sonntagsfrage zeigt.

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