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Volker Quaschning im Interview: Warum man bei seiner Katze anfangen müsste statt gegen Windenergie zu wettern

Volker Quaschning im Interview: Warum man bei seiner Katze anfangen müsste statt gegen Windenergie zu wettern

Volker Quaschning im Interview: Warum man bei seiner Katze anfangen müsste statt gegen Windenergie zu wettern

Um die Mythen der Energiewende zu entzaubern, braucht es starke Bilder. Einer der solche genauso wie gewichtige Argumente liefert, ist Prof. Volker Quaschning. Wir haben mit dem bekannten Fürsprecher der Erneuerbaren über die kommende Bundesregierung, Infraschall – und über Katzen gesprochen.

Utopia: Herr Quaschning, was muss die nächste Bundesregierung anders machen, um die Energiewende zu meistern und das 1,5 Grad Ziel irgendwie noch erreichen zu können?

Volker Quaschning: Dafür müssten wir in den 2030er Jahren klimaneutral werden. Mit dem heutigen Tempo der Energiewende bräuchten wir dafür aber 100 Jahre.  Wir brauchen im Prinzip einen kompletten Neustart. Sowohl bei der Energiewende als auch bei der Klimaschutzpolitik. Eine Regierung, die hier keinen Stein auf dem anderen lässt.

Das ist kein Aktionismus, sondern verfassungsrechtlich in Deutschland vorgegeben. Gemäß dem Urteil des Verfassungsgerichts haben wir das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten. Den Parteien bleibt gar keine Wahl, als entsprechende Maßnahmen umzusetzen.

Utopia: Grüne und FDP werden vorrausichtlich mitregieren. Mit dieser Konstellation spitzt sich die Frage zu, inwieweit wir uns für den Klimaschutz einschränken müssen?

Volker Quaschning: Die disruptiven Veränderungen werden uns auch durchaus wie bei Corona die ein oder andere Freiheit durch eine Regel einschränken. Ich würde aber eher sagen, die Veränderungen verbessern an einigen Stellen das Leben. Das ist immer eine Frage des Blickwinkels. Weniger Autos kann einer schlimm finden und der andere sagt „so schön ich hab keinen Lärm und auch kein Dreck mehr in der Stadt.“

Wir können Deutschland jetzt umbauen in ein Land, wo wir zukunftsfähige Jobs haben. Wir können schauen, dass Deutschland seinen Wohlstand bewahrt. Wir können schauen, dass die Städte lebenswerter werden. Sehen wir es als Chance, als Aufbruch in eine neue bessere Welt! Das müssen wir vermitteln, um die ganzen Widerstände zu brechen. Wenn man jetzt glaubt, irgendwie zehn Jahre Stillstand machen zu können, werden die Veränderungen umso radikaler sein. Nicht nur die jungen Generationen werden die Folgen des Klimawandels abbekommen. Es geht mittlerweile alles so schnell, dass auch die groß vertretene Generation Ü50 in Deutschland die Folgen spüren wird. Utopia: Wie müssen wir unsere Energiepolitik verändern, um das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten? Volker Quaschning: Dazu müssen wir in den 2030er Jahren klimaneutral werden, was hieße den derzeitigen Energieausbau etwa zu versechsfachen. Wir haben jetzt etwa 20 Prozent Erneuerbare Energien. Durch die Versechsfachung des Zubaus würden wir in 15 Jahren bei etwa 100 Prozent landen. Schaffen wir das nicht, können wir uns von dem deutschen Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen verabschieden. Das muss man so knallhart sagen.

Volker Quaschning im Interview: Warum man bei seiner Katze anfangen müsste statt gegen Windenergie zu wettern

Utopia: 100 Prozent Ökostrom klingt für mache Menschen nach einer Drohung, weil Kritiker:innen die Angst vor dem großen Blackout schüren …

Volker Quaschning: Nachts scheint keine Sonne, dann haben wir keinen Solar-Strom. Haben wir wenig Wind, haben wir keine Windenergie. Wenn es recht windig ist an einem sonnigen Tag haben wir viel zu viel Strom. Dies ist der wichtigste Ansatzpunkt für Kritiker und die Warnung, alles würde zusammenbrechen. Aber eigentlich haben wir schon die Lösung.Utopia: Wir sind gespannt!Volker Quaschning: Wir brauchen deutlich mehr Speicher und dabei vor allem eine Kombination aus Technologien. Erste Anlaufstelle sollte sein, dass wir den Kurzzeitraum überbrücken, d. h. wenige Stunden oder mal eine Nacht, zum Beispiel den Tag-Nacht-Zyklus bei der Sonne. Da eignen sich zum Beispiel gut Batteriespeicher, wie die großen Batterien in E-Autos. Da reden wir im speziellen von der Sektor-Kopplung. Man nutzt nicht nur einen Speicher als Speicher an sich, sondern wir können auch die Speicherfähigkeit von Autos oder auch von Wärmeanwendungen mitnutzen und damit auch den Speicherbedarf deutlich reduzieren. Wenn wir wirklich mal zwei bis drei Wochen zu wenig Strom haben, dann reden wir über die sogenannte Power-to-Gas-Technologie. Damit lässt sich überschüssiger Strom z. B. Im Sommer durch Elektrolyse in Wasserstoff umwandeln. In der zweiten Stufe wird dieser weiter zu Methan aufbereitet, das ist praktisch Erdgas wie man es kennt, was ich dann zwischenspeichern kann. Die jetzigen Speicher, die wir haben, sind schon so groß, dass man für drei bis vier Monate Gas zwischenpuffern könnte. Wenn wir also jetzt nicht mehr das Gas von Herrn Putin kaufen, dann können wir diese Speicher nehmen und unser regeneratives Gas einfüllen und bei Bedarf wieder rausholen. Das Ganze funktioniert, ist technisch ausgereift. Man müsste es jetzt einfach nur aufbauen. Utopia: Sie sagten, man müsste den Zubau der erneuerbaren Energien versechsfachen. Wie kann das funktionieren? Wo kommt das ganze Fachpersonal her, um eine solche Entwicklung zu ermöglichen? Volker Quaschning: Wir wissen, dass in der Kohleindustrie und der Autoindustrie Arbeitsplätze wegbrechen werden. Man geht davon aus, dass über 100.000 Arbeitsplätze bedroht sind. Auf der anderen Seite wissen wir, dass wir locker 500.000, vielleicht sogar 1.000.000 an zusätzlichen Arbeitskräften benötigen, um die Energiewende überhaupt in diesem Tempo umsetzen zu können.Diese Transformation muss gelingen, sonst haben wir wirklich ein Problem beim Klimaschutz. Wir würden aufgrund von Arbeitskräftemangel nicht mehr rechtzeitig klimaneutral werden können. Das ist momentan wirklich meine größte Sorge. Schon jetzt sind bei der Solarenergie die Auftragsbücher voll. Wenn ich jetzt eine Photovoltaikanlage bauen will, muss ich in der Regel einige Monate warten, um eine zu bekommen. Erneuerbare Energien sind kein Job-Killer, sondern ein Job-Motor.

Krank durch Infraschall? Kompletter Nonsens

Utopia: Es ranken sich noch mehr Mythen und Vorurteile um Windkraft und deren Gefahren. Wenn man die richtigen Schlagwörter bei Google eingibt, bekommt man auch die passenden Antworten. Das erste, worauf wir gestoßen sind, waren Schallemissionen. Genauer gesagt, Infraschall. Was ist das? Volker Quaschning: Infraschall ist etwas, was die Menschheit nicht so richtig kennt. Deswegen glaubt man es sei etwas Gefährliches. Es gibt einen Frequenzbereich von Schall, den das menschliche Ohr wahrnehmen kann, und während Ultraschall sehr weit über diesem Bereich liegt, haben wir es bei Infraschall mit besonders tiefen Tönen zu tun. Wenn sich jetzt etwas sehr langsam dreht, wie zum Beispiel eine Windkraftanlage, dann können Schallwellen mit niedrigen Frequenzen – unterhalb der Hörschwelle – entstehen. Daraus werden extreme Schlüsse gezogen und Leute behaupten, man gibt Fehlgeburten oder wird krank. Utopia: Und was ist dran am Schreckensgespenst Infraschall? Volker Quaschning: Natürlich, man kann von Schall krank werden. Das geht auch beim hörbaren Schall: Wenn ich neben einem Düsenjet stehe und keine Ohrenschützer anhabe, dann habe ich ein Problem. Entscheidend ist natürlich, wie „laut“ der Schall ist. Infraschall von Windkraftanlagen ist so gering, dass man ihn in 300-400 Meter Entfernung nicht mehr vom natürlichen Infraschall unterscheiden kann, der durch einfache Blätterbewegung und Windrauschen zustande kommt. Führt man sich nun vor Augen, dass der Infra-Schall im PKW deutlich größer ist, wird der Mythos vom Windrad, das Menschen krank macht, vollständig entzaubert. Ich könnte mich fünf bis zehn Jahre vor eine Windkraftanlage stellen und bekomme die gleiche Schallbelastung ab wie bei einer dreistündigen Autofahrt. Daher ist das aus wissenschaftlicher Sicht kompletter Nonsens. Utopia: Warum dürfen Windräder in einigen Bundesländern dann nur weit weg von besiedelten Gebieten gebaut werden, während Kohlekraftwerke nur 700 Meter Abstand haben müssen? Volker Quaschning: Sogar Atomkraftwerke. (lachend) Das ist einfach die unterschiedliche Wahrnehmung. Die Abstandsregeln der Windkraftanlagen, die man in Bayern oder auch in einigen Bundesländern eingeführt hat, sind nicht an wissenschaftliche Fakten gebunden. Hier geht es einfach darum, keine Wählergruppen an die AfD zu verlieren. Denn da die AfD den Klimaschutz komplett ablehnt, brauchen wir in ihren Augen auch keine Windräder. Dadurch versucht die Partei natürlich alle Menschen einzusammeln, die Windräder konsequent ablehnen oder Vorurteile gegenüber Windrädern haben. Und das Beste, was den bürgerlichen Parteien einfällt, ist halt auch um diese Bevölkerungsgruppe zu buhlen. Sie stärken dann ihre Aussagen, indem sie sagen: „Schaut her, wir mögen auch keine Windräder! Wir führen große Abstandsregelungen ein!“ Das ist natürlich fatal, weil wenn man mal mit den Abstandsregeln unsere Klimaneutralitätsziele durchrechnet, können wir in Deutschland gar nicht mehr ausreichend Windräder zubauen, um klimaneutral zu werden. Ich wäre dafür, dass all diejenigen, die den Bau neuer Windräder boykottieren wollen, sich mal am Bau der Hochwasserdeiche beteiligen. Einfach zwei Wochen Sand schaufeln, dass man das mal am eigenen Körper erfährt, was man damit anrichtet. Denn diese Auswirkungen sind die Konsequenz davon, wenn man Windräder verhindert.

Von Vogel-Schredder-Maschinen und Katzen

Utopia: In der Zeitschrift Agrarheute haben sie 2017 einen Artikel geschrieben, der mit dem Satz abschließt: „Autofahrende Windkraft-Gegner mit Hauskatzen sollten erstmal ihre Schadstoff-Schleuder verschrotten, ein Haus an einer Braunkohlegrube kaufen und ihre Katze erschießen, bevor sie weiter gegen die Windkraft kämpfen!“ Was hat es damit auf sich? Volker Quaschning: Alle die sich mit Windkraft schon mal auseinandergesetzt haben, kennen das Argument, Windkraftanlagen sind Vogel-Schredder-Maschinen. Also es wird dann suggeriert, dass Windkraftanlagen eine unverhältnismäßig hohe Anzahl an Vögeln töten. In der Realität kann man davon ausgehen, dass eine Windkraftanlage vielleicht 10 Vögel im Jahr tötet. Das ist die gleiche Dimension wie eine Katze im Durchschnitt umbringt. Ironischerweise sind es auch Katzenliebhaber, die in der Bürgerinitiative das große Vogelsterben prophezeien. Utopia: Wie sieht es da in Wirklichkeit aus? Volker Quaschning: Jetzt darf man natürlich nicht vergessen, dass es um ein Vielfaches mehr Katzen als Windräder gibt in Deutschland. Wir reden also einerseits über mehrere zig Millionen tote Vögel durch Katzen, aber anderseits vielleicht über 100.000 tote Vögel durch Windkraftanlagen. Die Relationen dieser Diskussion halte ich deshalb für unverhältnismäßig. Die Tragweite wird aber erst deutlich, wenn wir das auf die Spitze treiben. Es gibt Fälle, bei denen der Artenschutz zu einer Ablehnung eines Windparks geführt hat, weil ein Brutpaar einer seltenen Art entdeckt wurde, wie z. B. der Rotmilan. Das ist aber fatal, denn jede Windkraftanlage, die wir nicht bauen, befeuert die Klimakrise und wir wissen heute schon, dass ein Großteil dieser seltenen Vogelarten durch die globale Erwärmung aussterben wird. Statt das aber als Argument FÜR den Ausbau regenerativer Energien zu nutzen, wird die Sachlage verkürzt und von der Gegenseite ins Feld geführt.

Der Professor für Regenerative Energiesysteme Volker Quaschning ist momentan einer der gefragtesten und bekanntesten Stimmen in deutschen Medien beim Thema Klimaschutz und Energiewende. Bekannt geworden als Mitinitiator von Scientists for Future betreibt der gebürtige Leonberger mittlerweile einen eigenen Youtube-Kanal, hostet einen Podcast mit seiner Frau Cornelia und zählt auf Twitter zu den Meinungsführern bei klimapolitischen Inhalten – zudem gibt er Fachbücher heraus und Student:innen lehrt er auch noch.

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Schlagwörter: Energiewende Interview Interviews Video Windkraft

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