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„Wir haben ein unheimlich gutes Niveau“ | Sport

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Katharina Steinruck über das deutsche Hoch im Marathon, den Effekt der Wunderschuhe und der Suche nach richtigen Impfterminen.

Frau Steinruck, mitten in der Pandemie purzeln im Marathon die persönlichen Bestzeiten: Richard Ringer ist in diesem Monat mit 2:08:49 Stunden die viertbeste deutsche Zeit gelaufen, Sie haben sich in Enschede auf 2:25:59 verbessert. Was haben Sie danach gedacht?

Ich hatte das erst gar nicht richtig realisieren können und mir deswegen den Lauf zwei Tage später noch einmal angeschaut: Ich musste schmunzeln, dass die Kommentatoren sich vor allem über meine Outfit unterhalten haben. Ich hatte nach meinem Frankfurt-Marathon 2019 schon gesagt, dass ich eine Zeit unter 2:27 Stunden hätte laufen können. Zuletzt habe ich auch in Richtung einer ‚kleinen‘ 2:26er-Zeit trainiert, dass es dann noch besser lief, ist umso schöner. Ich glaube, dass ich noch schneller laufen kann, wenn ich hinten die Geschwindigkeit halte.

Wie hat ihre Mutter und Trainerin Katrin Dörre-Heinig reagiert, die ja selbst in diesen Sphären unterwegs war?

Sie hat sich riesig gefreut und traut mir absolut die Zeiten zu, die sie beispielsweise 1999 in Hamburg mit ihrer Bestzeit 2:24:35 Stunden auch gelaufen ist. Ob es klappt, hängt von der Tagesform und vom Rennen ab.

Träumen Sie davon, wie ihre Mutter 1988 eine Olympische Medaille zu gewinnen? Sie ist bis heute ja die einzige Deutsche, die im Marathon überhaupt eine Medaille gewann.

Diese Bronzemedaille hatte ich mehrfach in der Hand (lacht). Sie ist ja Dritte, Vierte und Fünfte bei Olympischen Spielen geworden – und als die DDR die Spiele 1984 boykottierte, war sie von der Zeit sogar die Zweitbeste der Welt. Aber das ist mit heute nicht vergleichbar. Ich maße mir nicht an, so etwas zu wiederholen. Dafür ist die Konkurrenz mit den afrikanischen, japanischen und amerikanischen Läuferinnen zu groß. Da müsste ich fünf, sechs Minuten schneller laufen, das traue ich mir nicht zu.

Welches Ziel haben Sie für die Olympischen Spiele?

Ich möchte einen ordentlichen Wettkampf hinlegen und so weit wie möglich vorne landen. Ich werde es definitiv genießen. Aber weil der Marathon nach Sapporo ausgelagert ist und wir nicht im Olympischen Dorf sind, wird es sich eher wie ein großes internationales Rennen anfühlen. Auf jeden Fall werde ich stolz sein, das Nationaltrikot zu tragen.

Es gibt ein Hauen und Stechen bei Männern und Frauen um die drei deutschen Marathon-Startplätze. Was ist da los?

Musste man für 2016 in Rio de Janeiro mit einer Zeit unter 2:42 Stunden trumpfen, werden jetzt 2:29:30 vom Weltverband World Athletics gefordert – und nun fährt man wohl nicht einmal mit einer 2:27 mit. Wir haben insofern Nachwuchs bekommen, dass die Straße offenbar für viele Läufer:innen aus dem Leistungsbereich attraktiver geworden ist. Jetzt denken viele nicht erst mit Ende 20, Anfang 30 darüber nach, sich im Marathon zu versuchen, wenn man auf der Bahn nicht mehr vorwärtskommt. Das ist schon ein unheimlich gutes Niveau, das wir in Deutschland haben. Und natürlich kommt das Schuhwerk hinzu: Vorher war vorwiegend den Nike-Läufern mit Weltrekordhalter Eliud Kipchoge vorbehalten, diesen Wunderschuh zu tragen, jetzt kann ihn fast jeder bekommen.

Was machen die Schuhe genau?

Zur Person

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Katharina Steinruck , geborene Heinig, startet für die LG Eintracht Frankfurt und lebt seit vielen Jahren in Frankfurt. Die Tochter der Bundestrainerin Katrin Dörre-Heinig zählt zu den besten und verlässlichsten deutschen Marathonläuferinnen. Die 31-jährige Polizeibeamtin hat ihre Bestzeit am 18. April in Enschede auf 2:25:59 Stunden gedrückt.

Ich trainiere seit Dezember vereinzelt damit. Der Unterschied ist einfach, dass der Schuh über die eingearbeitete Carbonplatte die Energie beim Laufen zurückgibt – man hat einen Pushback-Effekt. Man sagt, dass der Schuh von der Energie, die man eigentlich an den Boden abgibt, bis zu 70 Prozent zurückgibt. Damit kann man viel länger eine hohe Geschwindigkeit laufen, weil die Ermüdung rausgezögert wird. Dementsprechend ist man automatisch schneller. Aber durch die härtete Rückfederung reagiert auch die betroffene Muskulatur anders. Das muss man über einen längeren Zeitraum lernen. Sonst gibt es Probleme.

Was macht die Corona-Krise mit der Leichtathletik?

Für mich persönlich? Ich bin ein Wettkampftyp, ich brauche diese Vergleiche, um vorwärtszukommen. Mir fehlt dieses Feeling, um eine Wettkampfroutine zu entwickeln. Gerade in Deutschland werden Rennen, Veranstaltungen oder Meisterschaften rigoros gestrichen, teils auch sehr kurzfristig. Viele unterschätzen, was das mit einem Sportler macht, der sich monatelang beispielsweise auf einen Marathon vorbereitet – und dann wird ihm plötzlich der Boden unter den Füßen weggezogen. Das hat auch finanzielle Folgen: Fördergelder fallen weg, Start- und Preisgelder sowieso. Wir finanzieren fast alles selbst. Das können viele Athleten sich gar nicht leisten. Die Leichtathletikszene ist sehr verunsichert. Daher kann man nur den Hut ziehen, dass sich so viele Läufer:innen weltweit nicht unterkriegen lassen.

Würden Sie sich für den Sport mehr Öffnungsschritte wünschen, gerade für Freiluftsporten wie die Leichtathletik?

Ich möchte auch nicht, dass die Corona-Zahlen hoch gehen, aber es geht doch im Grunde um alles: den Sport, die Kultur, die Gastronomie, den Einzelhandel. Es gibt genügend Ideen und Konzepte für Öffnungen, die funktionieren, die aber kategorisch abgelehnt werden. Dasselbe gilt leider für den Sport, wo Top-Hygienekonzepte kategorisch abgelehnt werden. Teilweise fehlt der Mut. Im Gegenzug zeigen andere Länder, dass es mit Sport-Veranstaltungen sehr wohl funktionieren kann, aber hier will keiner die Verantwortung übernehmen. Das finde ich schade, gerade auch für den Breitensport. Das Virus wird womöglich in ein paar Jahren wohl noch nicht verschwunden sein. Also müssen wir akzeptable Lösungen finden.

Waren Sie eigentlich erleichtert, dass die Ausgangssperre erst um 22 statt 21 Uhr greift und Laufen noch länger erlaubt ist?

Mich persönlich trifft es nicht so, weil ich mit meinen Füßen vor 22 Uhr meist im Bett liege. Ich trainiere als Profi meist tagsüber. Viel wichtiger ist es für die Hobbyläufer, die lange berufstätig sind und vielleicht erst um 19, 20 Uhr loslaufen können. Allgemein glaube ich nicht, dass die nächtliche Ausgangssperre uns viel bringt.

Gehen Sie davon aus, dass Sie im Herbst beim Frankfurt Marathon starten können?

Was nach den Olympischen Spielen für mich kommt, ist offen. Das haben wir doch durch die Pandemie gelernt: Langfristige Pläne bringen nichts. Mir ist klar, dass die großen Marathon-Events im Herbst in Berlin oder Frankfurt – mit diesen Emotionen mit einer großen Menschenmasse in einem Pulk laufen – nicht so schnell möglich sind. Da bin ich Realist. Wir müssen in kleineren Sphären denken; vielleicht kommen wir ja mit Impfungen voran, um schnellstmöglich nach und nach Veranstaltungen wieder möglich zu machen.

Stichwort Impfen: Haben Sie schon die Spritze bekommen?

Nein, noch nicht. Ich hätte schon die Möglichkeit gehabt, aber habe das in der Marathon-Vorbereitung verschoben und gehe davon aus, dass ich im Mai meinen Termin wahrnehmen kann. Es kann den einen oder anderen Athleten durch die Impfung bis zu zwei Wochen aushebeln. Deshalb ist es wichtig, dass man bei den Impfungen für die Olympia-Teilnehmer so früh wie möglich anfängt. Ich werde danach aber genauso vorsichtig wie jetzt sein und für mich persönlich alle Schutzmaßnahmen befolgen.

Interview: Frank Hellmann

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