Hill Valley, Kalifornien – Bei 88 Meilen leuchtet der Fluxkompensator. Blitze schlagen um den DeLorean, er schiebt eine Kugel aus Licht vor sich her. Ein Knall, eine weiße Wolke, Funkenflug. Das Coupé mit der Edelstahlkarosserie verschwindet in eine andere Zeit. In der Gegenwart bleiben zwei brennende Reifenspuren – und das wohl coolste Autokennzeichen der Welt: „OUTATIME“.
Drei Filme lang reisen Marty McFly (Michael J. Fox) und Doc Brown (Christopher Lloyd) mit einem DeLorean durch die Zeit. Sie verändern die Zukunft, besuchen die Vergangenheit und retten die Gegenwart. Im zweiten Teil der „Zurück in die Zukunft“-Trilogie landet der DMC-12 in unserem Jetzt: Am 21. Oktober, um 16:29 Uhr Ortszeit.
Gelben Lack gab es nicht ab Werk. Serienmäßig trug der DeLorean Edelstahl-Bleche, gegen Aufpreis mit 24-Karat-Vergoldung. In den USA wurde der DMC-12 in Schwarz, Rot und Grün angeboten Quelle: MOTOR-TALKSvens DeLorean kommt nicht vor seiner Abfahrt an, er reist nur vorwärts durch die Zeit. Im Tank schwappt normales Super, keine radioaktiven Mittelchen oder Biopampe. Einen Fluxkompensator hat „Capt.Chaos“ trotzdem. „Danach fragen die Leute immer zuerst“, lacht er und zeigt auf den Kasten hinter den Ledersitzen. Durch eine Plexiglasplatte schimmern Zündkerzenkabel und LEDs, dahinter stecken ein paar Batterien mit je 1,5 Volt. Sie leisten viel weniger als 1,21 Gigawatt.
Dennoch fühlt sich unsere Begegnung wie ein Zeitsprung an. Es ist der fantastische Zustand von Svens DeLorean, der mich in eine Zeit vor meine Geburt schickt. 1982 rollte der Wagen aus dem DeLorean-Werk in nordirischen Belfast. Besser kann er damals nicht ausgesehen haben. In den vergangenen 33 Jahren fuhr er weniger als 6.000 Kilometer. Ein Gutachter schrieb die Schulnote „2+“ auf seinen Bewertungsbogen. „Es wäre fast eine 1 geworden“, sagt Sven stolz. „Aber die Farbe ist nicht original.“
Ursprünglich trug der Delo blanke Bleche aus Edelstahl der Güte SS304. Doch der Erstbesitzer hasste die Fingerabdrücke auf den unbehandelten Oberflächen und liebte Sportwagen aus Italien. Er ließ seinen Flitzer mit speziellem Du-Pont-Lack in Ferrari-Rot ansprühen. Eigentlich sollte der sich ohne Rückstände entfernen lassen. Doch DeLorean-Experte Wolfgang Hank fand unter der Farbe Säureschäden auf dem Blech. Für Sven gab es nur eine Alternative: „Mustard Yellow von Lotus, Farbcode A064.“ Vier seiner fünf Autos tragen heute diesen Lack.
Sven sieht gelb: Vier seiner fünf Autos tragen "Mustard Yellow" von Lotus Quelle: MOTOR-TALK
Zurück ins Jetzt. Gasdruckdämpfer schieben die Kunststoff-Türen mit den Edelstahlblechen nach oben, wir gleiten auf weiche Sitze in eine bequeme Liegeposition. Gerade Sitzen passt nicht zu 1,14 Metern Fahrzeughöhe. Sven startet den Euro-V6 und lässt seinen Delo behutsam aus der Parkposition rollen. Er rangiert mit offener Tür und viel Vorsicht. Eine Rückfahrkamera gab es nicht in der Aufpreisliste, dafür die Übersichtlichkeit eines Lamborghini Countach serienmäßig. „Ein City-Flitzer ist er nicht“, gibt Sven zu. Wie auch, mit 13 Metern Wendekreis.
Wir rollen durch den Berliner Berufsverkehr, durch den Wedding, über die A115 in Richtung Filmpark Babelsberg. Im Film regnet es wie im englischen Herbst. Wir erleben einen heißen Sommertag. „Anfangs hatte der Delo thermische Probleme. Auf der Autobahn ist er mir übergekocht“, erzählt Sven. „Wir haben dann alles gespült und einen Schalter für den Lüfter nachgerüstet.“ Es bleibt das einzige technische Problem in Svens Oldtimer. Die Klimaanlage kühlt wie eine Eis-Truhe, der Sechszylinder schiebt uns ruhig durch die Stadt.
Fast jeder Nachbar im Stau will mehr über Svens Auto wissen. Wir kommunizieren durch einen Schlitz im Fenster. Nur ein kleiner Teil der Scheibe fährt elektrisch in die Tür. Zu wenig für eine große Cola im Drive-in, genug für den ausgestreckten Daumen oder ein paar Antworten. Ja, es ist ein originaler DeLorean. Ja, einer wie in „Zurück in die Zukunft“. Nein, der Motor stammt nicht von Ford. Und ja, natürlich hat er einen Flux-Kompensator. Sven hat Recht, danach fragen die Leute wirklich zuerst.
Gehört dazu: Der nachgebaute Fluxkompensator hinter den Sitzen des DeLorean Quelle: MOTOR-TALK
Nach wenigen Minuten fühle ich mich wie Marty McFly. Sven erklärt mir sein Auto wie der Doc seine Zeitmaschine, begeistert wie ein Zehnjähriger an der Carrera-Rennbahn. Hinter uns liegen Nachbildungen der wichtigsten Requisiten: Ein Sport-Almanach, ein Brief aus dem Jahr 1885 und die Ausgabe der „USA Today“ von morgen. Sogar eine JVC-Kamera und Nike-Schuhe aus der Zukunft hat Sven dabei. Svens Liebe zum Detail endet nicht bei seinem Auto. Ich verbessere in Gedanken die Note auf dem Gutachten.
Irgendwie passt sogar die Farbe in die DeLorean-Geschichte. Lotus-Gründer Colin Chapman steckte einst das Chassis unter die GFK-Edelstahl-Karosserie. Der Doppelgabelrahmen stammt in seinen Grundzügen vom Lotus Esprit. Die Karosseriestruktur wurde nach dem „Vari“-Verfahren von Lotus hergestellt.
Ursprünglich hatte Ex-GM-Chef John Z. DeLorean sein Auto anders geplant. Unter der Giugiaro-Karosserie arbeitete im ersten Prototyp ein schwacher Citroën-Mittelmotor. Ingenieur Peter Giacobbi empfahl die Technik des Alpine A110. Dieses Auto sei so gut gefahren, dass er es unmöglich übertreffen könne. DeLorean winkte ab, er wolle ein amerikanisches Auto bauen. Später drängte die Zeit. DeLorean verhandelte mit Porsche, kaufte Motoren in Frankreich, entwickelte mit Lotus und baute seinen DMC-12 in Irland.
Probefahrt: Für ein paar Meter lässt Sven MT-Redakteur Constantin ans Steuer Quelle: MOTOR-TALKIn der Serienversion rutschte der Antrieb ins Heck. Der 2,8-Liter „Euro-V6“ von Peugeot, Renault und Volvo sitzt hinter der Hinterachse. Eine mechanische Bosch K-Jetronic mit Lambda-Regelung holt 130 PS aus dem Block. Die Einspritzanlage spielt im Film eine wichtige Rolle: Der Motor spuckt den Mengenteiler aus, als der Doc sein Auto im Wilden Westen mit Whisky betankt. Vor dem Motor steckt ein Fünfgang-Schaltgetriebe oder eine Dreigang-Automatik aus Frankreich. Auf Svens Automatik-Wählhebel ist die Renault-Raute eingegossen.
Amerikanisch oder sportlich ist höchstens das Image des DeLorean. Tatsächlich rollt er lieber ruhig durch den Verkehr. Im Film muss er für einen Zeitsprung auf 88 Meilen pro Stunde (gut 140 km/h) beschleunigen. Ein Serienauto mit Schaltgetriebe benötigt dafür etwa 23 Sekunden. Die Filmversion fuhr mit einem 5,0-Liter-V8 von Chevrolet. Deshalb klingt die Zeitmaschine so amerikanisch.
Für den Film war der DeLorean die perfekte Wahl. Modern wirkt er noch heute, vor 30 Jahren sah er aus wie aus der Zukunft importiert. Zur Filmpremiere im Jahr 1985 war er weitestgehend unbekannt. Nur 9.000 Stück entstanden zwischen Januar 1981 und Dezember 1982. Heute soll es weltweit noch etwa 5.000 bis 6.000 Exemplare geben, davon 200 in Deutschland und 100 in der Schweiz und Österreich.
MT-Redakteur Constantin probiert die Nike Air Mags aus "Zurück in die Zukunft" an Quelle: MOTOR-TALK
Für ein paar Meter lässt Sven mich ans Steuer seines gelben Goldstücks. Hätte John Z. den DeLorean nicht als Sportwagen angepriesen, hätte er tatsächlich ein Erfolg werden können. Das aufwändige Fahrwerk ist mit der mageren Motorleistung vollständig unterfordert. Sven hat zudem ein toll abgestimmtes Gewindefahrwerk der Firma KW nachgerüstet. Der Dreigang-Automat schaltet sanft und passt zum Cruiser-Gefühl eines Gran Turismo. Auf unserer Fahrt schluckt der Motor rund elf Liter pro 100 Kilometer.
Über große Spalte zwischen Armaturenbrett und Tür oder knarzende Verkleidungen sehe ich hinweg. Ein bisschen US-Flair der 1980er gibt es eben doch im Delo. Geschenkt, ein Filmstar darf seine Marotten haben. Vor allem, wenn er eine Wertanlage ist: 1981 kostete ein DeLorean etwa 35.000 US-Dollar. Svens Exemplar ist laut Gutachten 45.000 Euro wert. Manche Fans zahlen sogar noch mehr.
Richtungswechsel kosten im DeLorean viel Kraft. Zu seinen Produktionszeiten gab es keine Servolenkung. Heute bietet das „Team Deloman" um Wolfgang Hank eine Nachrüstlösung an, ursprünglich entwickelt für einen behindertengerechten DeLorean-Umbau. Außerdem gibt es LPG-Umbauten, eine Turbo-Version und ein Projekt-Fahrzeug mit Elektroantrieb im Aufbau, den „Eledelo“.
Wenn Sven in die Vergangenheit reisen könnte, würde er einige Projekte in die DeLorean-Produktion einstreuen. Er hätte gern mehr Leistung mittels V8 oder Ladedruck, ein Mäusekino, blaues Licht, einen Tempomaten und automatisch öffnende Türen. Eine andere Farbe als das Senfgelb von Lotus würde er sich aber nicht aussuchen. „Ich habe diese Entscheidung bis heute nicht bereut“, betont er.
Alles in Ordnung: Die Gang geht in den Knast Quelle: MOTOR-TALK
Ich lasse mich wieder auf den Beifahrersitz fallen und denke an den zweiten Teil des Films. Viele Visionen von damals gibt es mittlerweile: Riesige Fernseher, Computer mit Spracherkennung, Drohnen und intelligente Brillen. Einige Hersteller nutzen den Kult um die Filme aus und bringen zum Jubiläum passende Produkte auf den Markt. Lexus hat ein Hoverboard gebaut, Pepsi verkauft Brause in Zukunfts-Flaschen und die Schauspieler der Zurück-in-die-Zukunft-Trilogie machen Werbung für Toyota. Nike will sogar einen Schuh mit funktionierenden Power-Laschen vorstellen.
Viel Hype um drei alte Filme. Andererseits: Sie haben eine ganze Automarke unsterblich gemacht.